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„Wir wollen die Zukunft mitgestalten“
Für Andreas Tünnermann war 2023 ein Jahr der Jubiläen: Der international renommierte Laserforscher feierte nicht nur in diesem Sommer seinen 60. Geburtstag. Darüber hinaus blickt er zurück auf mittlerweile 25 Jahre als Lehrstuhlinhaber und Professor am Institut für Angewandte Physik der Universität Jena sowie auf 20 Jahre als Leiter am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF.
In mehr als zwei Jahrzehnten hat er den Optik- und Photonikstandort Jena damit wesentlich geprägt und geformt. Im Interview wirft Professor Tünnermann einen Blick zurück und schaut zugleich schlaglichtartig auf die Zukunft.
Prof. Dr. Andreas Tünnermann | Foto: Fraunhofer IOF
Herr Tünnermann, 2023 gab es für Sie sicher einige Anlässe, um in Erinnerungen zu stöbern. Lassen Sie uns teilhaben: Welche Meilensteine Ihrer Anfänge in Jena und Ihrer beruflichen Laufbahn sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch hier in Jena, gleich nach meiner Promotion in Hannover im Jahr 1992. Dieser erfolgte im Rahmen der Vorbereitung eines gemeinsamen Forschungsprojektes zu Faserlasern mit dem heutigen Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT) und dem Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH).
Damals, im Winter 1992/93, lag über Jena Nebel und es roch stark nach Kohleöfen. Aber nichtsdestotrotz – ich konnte diesen besonderen Spirit spüren, der den Optikstandort schon immer gekennzeichnet hat.
1997 habe ich mich auf den Lehrstuhl für Angewandte Physik beworben. Mein Amtsantritt folgte am 1. März 1998 hier am Institut am Beutenberg. Ein Zimmer im Wohnheim war mein erster Wohnsitz in Jena – also gleich mittendrin.
In besonders guter Erinnerung sind mir gerade aus diesen Anfangsjahren die Auftritte auf internationalen Tagungen geblieben, wo wir in Gruppenstärke mit Studierenden, Promovierenden und Seniors auftraten – das hat unser Team zusammengeschweißt und unseren gemeinsamen Spirit geprägt.
In Erinnerung sind mir auch die vielen Gespräche mit Lothar Späth geblieben. Er hat mir wie auch schon mein Doktorvater Herbert Welling das ‘unternehmerische Denken’ implementiert.
Und natürlich zählt zu den persönlichen Höhepunkten meiner Laufbahn auch die Ernennung zum Direktor des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF im Jahr 2003, sowie die Würdigung meiner Forschungsarbeit zu Faserlasern im Jahr 2005 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Besonders stolz bin ich auch auf die drei Deutschen Zukunftspreise des Bundespräsidenten, die wir als Team 2007, 2013 und 2020 nach Jena geholt haben – schau‘n wir mal, wann uns der nächste Coup gelingt.
Ein besonderes Projekt der ersten Stunde war für mich auch die Gründung des Optik-Clusters OptoNet e.V., an der ich aktiv teilhaben durfte. Dem Cluster bin ich seither sehr verbuden, er hat die Sichtbarkeit Jenas über Thüringen hinaus mit vorangetrieben.
Wie würden Sie die kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung Ihrer Institute seit Ihren Amtsantritten beschreiben? Von welchen Werten und Themen hoffen Sie, dass sie in der sowohl öffentlichen als auch internen Wahrnehmung mit den beiden Instituten in Verbindung gebracht werden?
Unsere Werte – sowohl am Fraunhofer IOF wie auch am Institut für Angewandte Physik – sind geprägt von Leistungsbereitschaft, Gestaltungswillen, Nachwuchsförderung und Wissenstransfer! Unser Anspruch ist es, in der (wissenschaftlichen) Champions League mitzuspielen.
In den vergangenen Jahren haben sich die Themen von der Faserlasertechnik und mikro- und nanostrukturierten Optik erweitert, unter anderem auf Aspekte der Laser-Materie-Wechselwirkung, Freiformoptik und Nichtlinearen Optik bis hin zu den Quantentechnologien.
Dahinter steckt auch immer der Wille zu verstehen, was Anwenderinnen und Anwender wollen: Was sind ihre Herausforderungen und wie können wir dabei helfen, die beste Lösung und reale Mehrwerte zu finden? Von höchster Bedeutung ist hierbei auch die Qualifizierung von wissenschaftlichem Nachwuchs.
Um Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen, gründeten Falk Lederer und ich 2008 einen internationalen Studiengang an der Friedrich-Schiller-Universität Jena – die Abbe School of Photonics (ASP). 2018 entwickelten Gerd Leuchs und ich das Konzept weiter in Richtung einer deutschlandweiten Graduiertenschule, der Max Planck School of Photonics (MPSP), mit der wir zusätzlich ein nationales Exzellenznetzwerk geschaffen haben.
Für mich war die Leitung eines Fraunhofer-Institutes immer ein Traum – hier steht die Verbindung von exzellenter Forschung und deren Anwendung missionsgetrieben im Fokus.
Zur Umsetzung dieser Mission haben wir Infrastrukturen aufgebaut, Technologieketten erweitert und Menschen begeistert. Aktuell erweitern wir unser Portfolio strategisch, um einen Beitrag im Bereich der zweiten Quantenrevolution zu leisten. Mit unseren Kompetenzen im Bereich der Photonik werden wir wegweisende Anwendungen ermöglichen.
Welche Rolle sehen Sie für die beiden Institute in den kommenden Jahren in Bezug auf zukünftige wissenschaftliche Entwicklungen?
Den Kurs, Lösungen mit Licht zu entwickeln, werden wir weiterverfolgen. Dabei steht unser Anspruch, immer die beste Lösung für unsere Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zu entwickeln, im Vordergrund. Wir stehen an verschiedenen Stellen vor einer technologischen Revolution.
Durch jüngste Fortschritte in der mikro- und nanostrukturierten Optik befinden wir uns hier in einer vergleichbaren Situation wie in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als der Schritt zur Mikroelektronik vollzogen wurde – dies wird die gesamte Branche verändern. Durch die Chance, Quantenphänomene zu nutzen, werden wir zeitnah grundsätzlich neue Möglichkeiten in Bereichen wie Communication, Computing oder auch Sensorik zur Verfügung haben, die beste Lösung für unsere Partner und Kunden zu entwickeln – wir wollen die Zukunft mitgestalten.
Foto: Fraunhofer IOF
In Ihrer bisherigen Amtszeit haben sich insgesamt 19 Unternehmen aus beiden Instituten ausgegründet. Wie motivieren Sie junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit?
Angehende Gründerinnen und Gründer sollten über das „Unternehmer-Gen“ verfügen. Sie müssen sich immer wieder die Frage stellen: Wie kann ich dazu beitragen, ein spezielles Problem wirklich zu lösen? Welche Lösungen kann ich anbieten? Diese Fragen sollten aber nicht nur im Fokus von Gründerinnen und Gründern liegen. Sie sollten ganz wesentlich unser Tun bestimmen. Das sind Werte, die ich auch in meiner Funktion als Hochschullehrer und Leiter einer Forschungseinrichtung weitergeben möchte.
Gründer und Gründerinnen sollten also immer am Puls der Zeit bleiben. Lohnt es sich hier, auf „Trendthemen“ aufzusatteln? Oder sollte man manchmal auch bewusst abseits ausgetretener Pfade schauen?
Es kann natürlich passieren, dass man in eine Situation hinein gerät in der es plötzlich heißt: Dieses Forschungsfeld ist ausgeforscht. So eine Entwicklung hatten wir vor ein paar Jahren im Bereich der Photonik.
In Ihrer bisherigen Amtszeit haben sich insgesamt 19 Unternehmen aus beiden Instituten ausgegründet. Wie motivieren Sie junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit?
Angehende Gründerinnen und Gründer sollten über das „Unternehmer-Gen“ verfügen. Sie müssen sich immer wieder die Frage stellen: Wie kann ich dazu beitragen, ein spezielles Problem wirklich zu lösen? Welche Lösungen kann ich anbieten? Diese Fragen sollten aber nicht nur im Fokus von Gründerinnen und Gründern liegen. Sie sollten ganz wesentlich unser Tun bestimmen. Das sind Werte, die ich auch in meiner Funktion als Hochschullehrer und Leiter einer Forschungseinrichtung weitergeben möchte.
Gründer und Gründerinnen sollten also immer am Puls der Zeit bleiben. Lohnt es sich hier, auf „Trendthemen“ aufzusatteln? Oder sollte man manchmal auch bewusst abseits ausgetretener Pfade schauen?
Es kann natürlich passieren, dass man in eine Situation hinein gerät in der es plötzlich heißt: Dieses Forschungsfeld ist ausgeforscht. So eine Entwicklung hatten wir vor ein paar Jahren im Bereich der Photonik.
Die Aussage – auch von Teilen der Community – war damals, dass wir nun alles über die Photonik wüssten und dementsprechend keine neuen Innovationen zu erwarten wären. Tatsächlich hat sich dann aber gezeigt, dass es innerhalb der Photonik sehr wohl noch interessante Entwicklungen gibt, die dazu beitragen können, Lösungen für die Adressierung globaler Herausforderungen abzuleiten.
Der Bereich der Quantentechnologie ist ein solches Themenfeld. Wir haben uns an beiden Instituten der Aufgabe gestellt, den Mehrwert des Einsatzes von Quantentechnologien – ‘the real benefit’ – herauszuarbeiten. Wir forschen nicht um der Forschung willen, sondern mit Blick auf die Erlangung originärer Beiträge zum Verständnis fundamentaler Fragestellungen oder zur Adressierung relevanter Anwendungsszenarien.
Was müssen der Standort Jena, aber auch der Freistaat Thüringen tun, um auch in Zukunft weiterhin einen fruchtbaren Nährboden für (junge) Unternehmen zu bieten?
Es bieten sich heute für unsere Branche besondere Chancen in der Nutzbarmachung quantenphysikalischer Effekte. Die Photonik ist ein „Enabler“ der Quantentechnologien und im Moment ist es so wie in Kalifornien zu Zeiten der Goldsuche: Das Geld machen die, die die Schaufeln und die Siebe verkaufen. Die Photonik liefert jetzt gerade die Schaufeln und die Siebe.
Meine persönliche Hoffnung ist, dass wir es hier in der Region schaffen, ein weltweiter Hotspot für die photonischen Quantentechnologien zu werden. Der Freistaat aber auch der Bund und die EU haben unsere Forschungsarbeiten in den letzten Jahrzehnten stark unterstützt. Ich hoffe natürlich, dass diese Unterstützung auch in den heute wirtschaftlich herausfordernden Zeiten weiter anhält.
Besonders wichtig sind mir dabei die Investitionen in Menschen selbst. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass die weltweit Besten der Besten nach Deutschland und Thüringen kommen und mit uns ihre Ideen umsetzen können. Unser aller Zukunft wird davon abhängen, ob es uns gelingt, die besten Köpfe für Deutschland zu gewinnen und sie hier zu halten.