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Gastbeitrag: Hochschule Schmalkalden und Technische Universität Ilmenau

Smarte Aluminium-Spritzgieß­werkzeuge

Indus&shytrielle Produk­tion ist ohne spritzge­gossene Pro­dukte aus Kunst­stoffen wirt­schaft­lich, qualitativ und öko­logisch nahezu unmöglich. Eine schiere Vielzahl von Produkten in unserem all­täglichen Umfeld ent­stammen dem Spritzgieß­prozess.

Buntes Kunststoffgranulat als Rohstoff für Spritzguss

© AdobeStock

Ohne die Kunststoff­technik könnten beispiels­weise viele Konstruk­tionen gar nicht umgesetzt oder heutige Forderungen nach Energie- und Material­effizienz nicht erfüllt werden. Umso wichtiger ist es, diesen elemen­taren Wirtschafts­zweig effizienter und damit nach­haltiger zu gestalten.

Spritzgieß­werkzeuge aus Alu­mi­ni­um oder Stahl

Für die Serien­produktion werden Spritzgieß­werkzeuge überwiegend aus Stahl­werk­stoffen hergestellt, da diese eine vermeintlich höhere Standzeit im Vergleich zu Aluminium­legierungen aufweisen, die gegen­wärtig nur für Proto­typen Verwen­dung finden. Dabei besitzt Alumi­nium gegenüber Stahl eine deutlich bessere Wärmeleit­fähigkeit, wodurch der Produktions­prozess erheblich verkürzt werden kann. Die Kunststoff­schmelze kühlt in einer Form aus Aluminium schneller kontrol­liert ab und das Bauteil kann früher entformt werden. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Energie und Kosten. Für nachhaltigere Produktionsprozesse sowohl im Werkzeug­bau als auch im Spritz­gießen ist also Alumi­nium als Werkstoff zu bevorzugen.

Das Projekt AlPro (Smarte Aluminium Spritzgieß­werkzeuge mittels WAAM und KI Methoden für energie­effiziente und ressour­censcho­nende Produk­tionsprozess) zielt darauf ab, Spritzgieß­werkzeuge mittels 3D-Druck aus Aluminium­legierungen herzu­stellen. Im Ergebnis sollen die Werkzeuge energie­effizient, ressourcen­scho­nend und qualifiziert für eine Serien­produktion sein.

Schematische Darstellung eines additiv gefertigten Bauteils im Querschnitt, Smarte Aluminium-Spritzgießwerkzeuge

Additiv gefertigtes Bauteil im Querschnitt (Foto: HS Schmalkalden)

Additives und subtraktives Spritz­guss­­ver­fahren

Als additives Verfahren findet ein lichtbogen­basiertes Auftrag schweißen (Directed Energy Deposition-Arc (DED-Arc)) mit einer hohen Auftrag­rate bis 5 kg pro Stunde Anwen­dung. Damit können groß­volumige Bauteile wie Spritzgießwerkzeuge in einem vertretbaren Zeit­raum gefertigt werden. Der Vorteil im Vergleich zu einem subtrak­tiven oder spanenden Ver­fahren ist die Generierung von kontur­nahen Temperier­kanälen, die die Abkühlge­schwin­dig­keit nochmals er höhen und für eine gleich­mäßige Abkühlung des Bauteils sorgen.

Darüber hinaus können unterschiedliche Alumi­niumle­gierungen stoff­schlüssig eingesetzt wer­den. Der Grund­körper besteht aus einer günsti­geren Legierung, während an der Ober­fläche und insbe­sondere am Einspritz­bereich ver­schleiß­­feste Alumi­niumwerk­stoffe ihren Einsatz finden. Ein besonderes Augen­merk liegt im Projekt auf dem Verschleiß des Spritzgieß­werkzeuges. Der Verschleiß Zustand wird mittels Körper­schall Sensorik und Computer­tomo­graphie permanent überwacht. Härte­messungen und Gefüge­unter­suchungen am Werkzeug komplet­tieren die Kontrolle. Während des Spritz­gieß­prozesses werden die Maschinen­ein­spritz­drücke und Tempe­raturen im Werkzeug aufge­nommen und die gefer­tigten Bauteile auf Verzug und Ober­flächenab­weichungen untersucht.

Abkühlung von Aluminium-und Stahlwerkzeugen, Smarte Aluminium-Spritzgießwerkzeuge
Fortschritt: Smarte Aluminium-Spritzgießwerkzeuge

Aufbau eines Werkzeugs mit innen liegenden Temperier­kanälen mittels DED-Arc-Prozess aus einem abge­schlos­senem Projekt (Foto: HS Schmalkalden)

Nutzung von KI zur Verringerung des Werkzeug-Verschleises

Methoden des Maschi­nellen Lernens (KI) führen alle gewonn­enen Daten aus Prozess und Werkzeug zusammen und prognos­tizieren die Standzeit des Werk­zeugs. Damit können in Zukunft gezielt die passenden Legie­rungen ausge­wählt werden, um den Verschleiß zu reduzieren, die Repro­duzier­barkeit des Prozesses zu erhöhen und sowohl die Standzeit der Spritzgieß­werkzeuge als auch die Bauteil­qualität zu maxi­mieren.

Am Beispiel eines in einem bereits abgeschlos­senen Projekt (siehe Abbildung) untersuchten Lebens­mittel­behälters aus Kunst­stoff konnte bereits durch den Einsatz eines opti­mierten und additiv gefertigten Alumini­umspritz­gießwerk­zeugs die Zykluszeit um 28 Prozent reduziert, die Einfall­stellen auf der Kunststoff­oberfläche um 24 Prozent minimiert und die Verfüg­barkeit des Werkzeugs um 139 Stunden im Monat gesteigert werden. Bei einer Gewichts­reduktion des Werk­zeugs um 65 Prozent gegen­über Stahl konnten auch nach 136.000 Zyklen keine Verschleiß­erschei­nungen fest­gestellt werden. Darüber hinaus weisen die Bau­teile aus dem Alumini­umwerk­zeug geringere Eigen­span­nungen auf. Mit dem Transfer der bisherigen Ergeb­nisse sind Thüringer Werk­zeug und Formen­bauer in der Lage, neuar­tige und nach­haltige Spritzgieß­werkzeuge zu fertigen und dabei durch Einsatz der additiven Tech­nologie DED-Arc Energie, Material und Zeit bei der Ferti­gung einzu­sparen.

Unter­nehmen des Werkzeug- und Formen­baus stehen in der Wertschöp­fungskette der Kunst­stoff­technik weit vorne. Dadurch profitieren auch die mit nachgelagerten Produk­tions­schritten befassten Unternehmen wie Kunst­stoff­­verar­beiter durch die sinkenden Kosten im Spritz­gießprozess. Zusätzlich können die gewonnenen Erkennt­nisse auch auf andere Werk­zeuge in der Stanz- und Umform­technik übertragen werden.

Abkühlung von Aluminium-und Stahlwerkzeugen, Smarte Aluminium-Spritzgießwerkzeuge

Verringerte Eigenspannung durch homogene Abkühlung im Aluminiumwerkzeug (Foto: HS Schmalkalden)

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