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Medizinische Innovationen und Auszeichnungen
Ereignisreicher Jahresbeginn an ZBB
Die Zentralklinik Bad Berka (ZBB) hat in den ersten Monaten des Jahres bemerkenswerte Innovationen umgesetzt sowie einige Auszeichnungen erhalten. Von beidem profitieren Patienten – vor allem mit Herzerkrankungen und Multipler Sklerose.
Das Evoque-Team v.l.: PD Dr. Björn Göbel, Dr. Norbert Salewsky, Dr. Philipp Lauten, Dr. Stephanie Ehler, Dr. Carsten Salomon und Prof. Dr. Harald Lapp : Foto: ZBB
Die Thüringen-Neuheit zuerst: Erstmals in Thüringen und in einer der ersten Kliniken in Deutschland wurden Ende Februar an der Zentralklinik zwei Patienten erfolgreich mittels Katheterverfahren künstliche Trikuspidalklappen implantiert: Mit dem interventionellen Trikuspidalklappenersatz ist nun auch die letzte der vier Herzklappen ohne große Operation minimal-invasiv in Schlüssellochtechnik ersetzbar.
Prof. Harald Lapp, Chefarzt der Klinik für Kardiologie plante und führte den Eingriff mit einem interdisziplinären und interprofessionellen Team aus der Kardiologie, Herzchirurgie und Anästhesie durch. Die Patienten konnten sich rasch von dem minimal invasiven Eingriff erholen und sind bereits nach Hause entlassen worden.
Die Trikuspidalinsuffizienz ist eine häufige Erkrankung, die hauptsächlich ältere Menschen betrifft. Viele Menschen sind davon betroffen, allerdings in ganz unterschiedlichen Schweregraden. „Während eine triviale Form auch bei gesunden Menschen auftreten kann, liegt der Anteil einer mittelschweren oder schweren Trikuspidalklappeninsuffizienz bei Menschen im Alter von 75 Jahren bei rund vier Prozent“, erklärt das Team des Herzzentrums. „Die Erkrankung wird zwar häufig diagnostiziert; therapeutische Konsequenzen werden aber oft erst sehr spät erwogen.“
Die Anatomie
Die Trikuspidalklappe ist eine von vier Herzklappen und das Einlassventil der rechten Herzkammer. Durch sie fließt das sauerstoffarme Blut aus dem Körper in die rechte Herzkammer, um von da aus in die Lungen gepumpt zu werden. Die Trikuspidalklappe verhindert den Rückfluss des Blutes in den Körper während des Pumpvorgangs. Bei einer Insuffizienz dieser Klappe leiden die Betroffenen unter anderem unter Wassereinlagerungen, vor allem in den Beinen, Abgeschlagenheit und Müdigkeit, Zunahme des Bauchumfangs durch Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum und einer Beeinträchtigung der Leber- und Nierenfunktion durch Blutstau in den beiden Organen.
Bisher gab es die Möglichkeit, die undichte Trikuspidalklappe schonend auch am schlagenden Herzen zu operieren. Da viele Patienten jedoch mehrfacherkrankt sind und beispielsweise Leber- oder Nierenschädigungen haben, erhöht sich das Risiko für eine solche OP. Neue Entwicklungen bei minimal-invasiven Behandlungsmöglichkeiten der undichten Trikuspidalklappe haben sich rasant entwickelt. So gibt es verschiedene Verfahren, wie zum Beispiel das Clip-Verfahren zur Reparatur der defekten Klappe oder das kathetergestützte Einbringen eines Bandes. Diese Möglichkeiten sind jedoch bei komplexen Klappenanatomien, aber auch wenn Patienten zu spät in die Klinik kommen, nicht immer realisierbar. In solchen Fällen muss die Klappe ersetzt werden. Im Vorfeld ist zur Planung eine präzise Diagnostik mittels Herzultraschall und Computertomografie erforderlich.
Minimal-invasiv
„Mit der neuen Evoque-Klappe ist der Eingriff ohne operative Eröffnung des Brustkorbs über einen kathetergestützten Zugang durch die Vene möglich. Für viele Patienten bedeutet dies eine Möglichkeit, dass ihre Trikuspidalklappen-Insuffizienz beseitigt und die Lebensqualität erhöht wird. Diese Entwicklung ist auch für uns eine besondere Innovation“, so Prof. Harald Lapp.
Unabdingbar und entscheidend für den Erfolg ist, dass Kardiologen und Herzchirurgen eng zusammenarbeiten, davon ist Prof. Harald Lapp überzeugt: „Die interdisziplinäre Arbeit mit Dr. Thomas Kunze, dem Chefarzt der Klinik für Herzchirurgie, die eine große Expertise in der operativen Herzklappentherapie auszeichnet, ist hier besonders hervorzuheben und auch strukturell in unserem Herzzentrum verankert.“
v.l.: PD Dr. med. Albrecht Kunze, Dr. med. Ines Kurze und Dr. med. Annemarie Kiehntopf | Foto: ZBB
Auszeichnung als TAVI-Zentrum
Für Patienten mit Aortenklappenerkrankungen ist die Bad Berkaer Klinik ein national anerkanntes Zentrum. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie zeichnete die Klinik erneut als TAVI-Zentrum aus. Bereits seit November 2020 trägt die Klinik die Auszeichnung für die Versorgung von Patienten mit Aortenklappenerkrankungen. Bisher wurden an der Zentralklinik über 4.000 Patienten mit einer TAVI therapiert. Die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) ist ein minimalinvasives Verfahren. Dabei wird die Herzklappenprothese über einen Katheter eingeführt, hauptsächlich über die Leistenarterie. Der Eingriff wird am schlagenden Herzen, teilweise nur in Lokalanästhesie durchgeführt.
Die Fachgesellschaft bescheinigte dem Herzzentrum ein „exzellent strukturiertes TAVI-Programm mit gelebter Kooperation zwischen den Fachabteilungen. Die Fallzahl ist auch von 2022 auf 2023 weitergewachsen, bei jedoch weiterhin den Leitlinien entsprechend adäquater Indikationsstellung. Die Patienten werden im Vorfeld zwischen den Fachdisziplinen unter Berücksichtigung der Patientenwünsche diskutiert“.
Die Zentralklinik erfüllte damit alle Strukturvoraussetzungen. „Wir sind stolz auf das Zertifikat und insbesondere, dass unsere Teamleistung gewürdigt wurde. Besondere Erwähnung fand auch die Nachbetreuung unserer Patienten. Damit geht auch ein großes Lob an unsere Pflege, denn die Fachpflegequote liegt über den Anforderungen. Uns allen ist es wichtig, dass unsere Patienten sehr gut therapiert werden. Die vergangenen Jahre bescheinigen unserer Teamarbeit sehr gute Qualitätsdaten“, erklärt Dr. Philipp Lauten, Leitender Oberarzt an der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin. Die Zentralklinik gehört zu den vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) ausgezeichneten 13 Kliniken in Deutschland mit der niedrigsten Sterblichkeit und den geringsten Komplikationen bei TAVIs.
Auszeichnung als MS-Zentrum
Die Klinik für Neurologie wurde im März durch die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) als „Anerkanntes MS-Zentrum“ zertifiziert. Die Fachgesellschaft attestierte der Zentralklinik leitliniengerechte Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose und umfangreiche Erfahrungen. „Ich freue mich, dass das langjährige Engagement unseres Teams gewürdigt wird. Die Diagnose MS ist für die meisten Patienten ein Schock. Sie ist die häufigste neurologische Erkrankung bei jungen Menschen und basiert auf einer entzündlichen Schädigung des zentralen Nervensystems aufgrund einer gestörten Immunreaktion. Die Betroffenen sind überwiegend zwischen 20 und 40 Jahre, wenn sie die Diagnose erhalten. Frauen erkranken etwa doppelt so häufig wie Männer“, so der Chefarzt der Klinik für Neurologie PD Dr. med. Albrecht Kunze.
Jährlich werden an der Zentralklinik rund 140 Patienten mit Multipler Sklerose (MS) stationär und ambulant behandelt. Aufgrund der unterschiedlichen Symptomatik wird MS auch die „Krankheit mit den tausend Gesichtern“ bezeichnet. Die Beschwerden reichen von Taubheitsgefühlen, Lähmungen und Koordinationsstörungen bis hin zu Sehbeeinträchtigungen.
„Unser Ziel ist es, den Betroffenen moderne Therapien anzubieten und die Lebensqualität zu verbessern. Aufgrund moderner Medikamente kann die nicht heilbare Erkrankung aufgehalten werden. Entscheidend ist, dass Therapien frühzeitig beginnen, denn zerstörtes Nervengewebe kann nicht wiederhergestellt werden“, so Dr. med. Annemarie Kiehntopf, Oberärztin der Klinik für Neurologie und Leiterin der MS-Ambulanz.
Zusammenarbeit stärkt
Deutschlandweit einmalig ist die Kooperation der Klinik für Neurologie mit dem Querschnittgelähmtenzentrum/Klinik für Parapelgiologie und Neuro-Urologie der Zentralklinik. „Die Bündelung der neurologischen und neuro-urologischen Expertise in unserem zertifizierten Multiple Sklerose Zentrum ist einzigartig. Von Beginn an erfahren die Patienten mit Multipler Sklerose in unserem Zentrum eine ganzheitliche Betreuung, welche sogenannte Tabu-Themen wie Harn- oder Stuhlinkontinenz oder auch die Einschränkung der Sexualität offen thematisiert. Neben der klassisch neurologischen Diagnostik und Therapie, beginnend mit der Akutbehandlung der MS, sind wir hochspezialisiert in Bezug auf die Behandlung neurogen bedingter Funktionsstörungen des Harntraktes und des Darms. Wesentlich ist es, aktiv nachzufragen, da diese Themen oft von unseren MS-Patienten aus Scham nicht angesprochen werden. Durch die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit besteht ein tiefes Verständnis der ganzheitlichen MS-Therapie auch über den eigenen fachlichen Tellerrand hinaus. Unsere MS-Patienten können sowohl ambulant als auch stationär in unserer Klinik behandelt werden“, erklärt Dr. med. Ines Kurze, Chefärztin des Querschnittgelähmtenzentrums/Klinik für Paraplegiologie und Neuro-Urologie.
Für die Geschäftsführerin des Thüringer Landesverbandes der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Renate Wida-Vogel, trägt eine gute ambulante und stationäre Versorgung der Betroffenen maßgeblich zur Verbesserung der Lebenssituation bei. „Ich freue mich, eine weitere starke Klinik als Partner in Thüringen zu wissen, der hilft, die Probleme der Patienten mit MS zu lösen“. (ag)
Weitere Informationen: www.zentralklinik.de