Lesedauer: 6 Minuten
Deguma-Schütz GmbH
Deguma-Schütz und die neue Zeit: Viertagewoche und eine neue Führungskultur
Deguma-Schütz versucht sich mit der Viertagewoche in einem noch recht ungewöhnlichen Feld für ein produzierendes Unternehmen. Zusammen mit dem Wunsch nach „Innovation durch Mitdenken“ gehen sie im Innofarm-Projekt neue Wege und evaluieren diese stetig.
Viktoria Schuetz, die Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Deguma-Schütz GmbH | Fotos: Paul-Philipp Braun
Die Geschichte von Deguma-Schütz beginnt klassisch: Ein kleines Unternehmen, das gebrauchte Maschinen für die Kautschukindustrie überholt und weiterverkauft. „Anfangs haben wir die Geräte angekauft, instandgesetzt und dann weiterveräußert,“ erinnert sich Viktoria Schütz. Schon früh stellte sich heraus, dass dies nicht nur technisches Know-how, sondern auch Flexibilität und Kreativität erforderte, da jede Maschine der Branche einzigartig ist. Im Laufe der Jahre entwickelte Deguma-Schütz eigene Antriebstechniken und nahm schließlich 2018 die Produktion neuer Maschinen auf – ein bedeutender Schritt und der Beginn einer umfassenden Transformation.
Diese ging zweifelsohne auch mit dem Generationenwechsel einher. Hatten Winfried und Barbara Schütz den Betrieb 1990 gegründet, haben seit 2019 Tochter Viktoria und ihre Geschäftsführer-Kollegin Daniela Dingfelder die Zügel in der Hand. Und das bedeutete nicht nur einen Tonwechsel im Führungsstil, sondern auch die Weiterentwicklung vom Einzelfall-Projekt zur Fließbandproduktion. „Also soweit man das bei Maschinen sagen kann“, betont Viktoria Schütz.
Die Anpassung an die neue Zeit brachte jedoch grundlegende Änderungen für die Belegschaft mit sich: Während die Überholung gebrauchter Maschinen individuelle Fachkompetenz und Einzelfallentscheidungen erfordere, müsse im Neumaschinengeschäft auf Effizienz und Standardisierung gesetzt werden. Der Übergang von einem projektbasierten Modell hin zu standardisierten Prozessen stellte eine Herausforderung dar, die das Team von Deguma-Schütz in kurzer Zeit zu meistern hatte. Die Entwicklungen des Weltmarktes ließen nur wenig Zeit zum Luftholen.
Ein neuer wirtschaftlicher Kontext und seine Herausforderungen
Die Transformation hin zum Neumaschinenproduzenten fiel in eine Zeit, in der das wirtschaftliche Umfeld noch stabil war. Heute steht die Branche jedoch vor neuen Herausforderungen: Steigende Unsicherheiten und sinkende Auftragseingänge belasten den Maschinenbau und auch Deguma-Schütz spürt den Druck des internationalen Wettbewerbs, insbesondere vor dem Hintergrund der Umstellung des Geschäftsmodells, welches nicht nur bei Arbeitsabläufen Anpassungen mit sich bringt. „Unsere gesamte Produktions- und Finanzierungsstruktur hat sich verändert,“ betont Schütz. Wo früher oft Vorkasse üblich war, sind heute Anzahlungen und lange Zahlungsziele Standard – Faktoren, die die wirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens auf die Probe stellen. Insgesamt sei es aber auch immer wichtiger, durch wissenschaftliche Beobachtungen und Analysen Arbeitsmethoden voranzubringen und zu hinterfragen. Als eines von drei Teilnahme-Unternehmen des Innofarm-Projekts sei dies schon zu einem gewissen Teil gelungen, so Schütz, es sei aber eine konstante Aufgabe, bei der Stange zu bleiben.
Innovation durch Mitdenken: Ein Kulturwandel für die Zukunft
Ein entscheidender Erfolgsfaktor für Deguma-Schütz sei der Beitrag der Mitarbeitenden zur Innovationskraft des Unternehmens. „Unser Ansatz beruht auf Innovation durch Mitdenken,“ betont Schütz und beschreibt die Bedeutung der Mitarbeiterbeteiligung bei Entscheidungen und Umgestaltungen. Die Mitarbeitenden würden ermutigt, Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen einzubringen, was eine Kultur des Vertrauens und der Eigenverantwortung fördere. Dieses Prinzip der Mitgestaltung wurde im Rahmen des Projekts Innofarm wissenschaftlich begleitet, wodurch wertvolle Erkenntnisse gewonnen wurden, die in die Praxis des Unternehmens eingeflossen sind. Die Zusammenarbeit mit der Initiative der Technischen Universität Ilmenau, ermöglicht es dem Unternehmen, neue Arbeitsmodelle und Entscheidungsstrukturen zu testen und deren Auswirkungen zu evaluieren. So konnte Deguma-Schütz gezielt Anpassungen vornehmen, um eine zukunftsfähigere Arbeitsorganisation zu schaffen, die auf Eigenverantwortung und Mitbestimmung basiert. „Die wissenschaftliche Begleitung durch Innofarm hat uns wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden und die langfristigen Effekte unserer Entscheidungen gegeben,“ erläutert Schütz. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse seien in die Unternehmenskultur eingeflossen und hätten diese geprägt.
„Wir geben unseren Teams bewusst mehr Verantwortung als vorher und schulen sie gezielt in Bereichen wie Bewerbungsgesprächen und Entscheidungsfindung,“ erklärt Schütz. Es sei „ein Mehrwert für die Wirtschaftlichkeit und die Identifikation mit dem Betrieb“, sagt Viktoria Schütz. Trotzdem habe Innofarm erst einmal Arbeit bedeutet: „Wir haben Ängste und Befürchtungen besprochen. Es ging um das Wie, die Struktur und die Notfallpläne, wenn es nicht klappt.“
Erst mit der Zeit hätten sich aus diesen Überlegungen konkrete Umsetzungen und Ansätze für die Zukunft entwickelt.
Die Viertagewoche als Teil eines modernen Arbeitsmodells
Ein zukunftsweisender Schritt, der besonders viel Aufmerksamkeit erregte, war die Einführung der Viertagewoche. Bereits seit über eineinhalb Jahren arbeitet das Team von Deguma-Schütz nun nach diesem Modell, das eine Arbeitszeitverkürzung auf 34 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich beinhaltet. „Wir haben das Modell in intensiven Workshops vorbereitet, Sorgen und Bedenken besprochen und klare Strukturen erarbeitet,“ erinnert sich Schütz. So entstand ein Konzept, das den Freitag als freien Tag vorsieht, während nur eine kleine Notbesetzung im Betrieb bleibe.
Die Entscheidung für die Viertagewoche habe sich positiv auf das Betriebsklima ausgewirkt: „Die Ergebnisse aus Innofarm zeigen, dass die Viertagewoche nicht nur die Motivation und Gesundheit stärkt, sondern auch die Loyalität zur Firma fördert,“ sagt Schütz. Die wissenschaftlich fundierte Herangehensweise des Projekts habe dem Unternehmen geholfen, ein nachhaltiges Arbeitsmodell zu etablieren, das die Zufriedenheit der Belegschaft steigere und gleichzeitig zur Wettbewerbsfähigkeit beiträgt. Auch, weil trotz kürzerer Arbeitszeit weiterhin voller Lohn gezahlt werde.
Dennoch bleibt die Entwicklung flexibel und soll regelmäßig evaluiert werden, um sicherzustellen, dass es auch wirtschaftlich sinnvoll bleibt. „Es geht uns darum, das Modell langfristig tragfähig zu gestalten und in schwierigen Zeiten gegebenenfalls anzupassen,“ sagt Schütz.
Eine Führungsphilosophie, die auf Nähe und Offenheit setzt
Ein weiterer Ansatz für die zukunftsgerichtete Aufstellung sei, erklärt Viktoria Schütz, die zeitgemäße Ausrichtung einer offenen und vertrauensvollen Führungskultur. „Ich habe monatliche Mittagspausen mit der Produktion eingeführt, um den Austausch zu fördern und mehr Zeit mit den Menschen in der Produktion zu verbringen,“ erläutert Schütz. Diese regelmäßigen Treffen böten eine unkomplizierte Möglichkeit, Anliegen und Ideen zu besprechen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. So würden mögliche Kommunikationshürden abgebaut und ein offenes, vertrauensvolles Betriebsklima geschaffen.
Für Schütz ist die aktive Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein hohes Maß an Eigenverantwortung ein Kernbestandteil der Unternehmenskultur. „Wir lernen sehr viel über die Menschen und wie sie arbeiten,“ sagt sie. Dabei sei es dem Unternehmen wichtig, individuell auf die Stärken und Bedürfnisse der Beschäftigten einzugehen. Die Führungskultur bei Deguma-Schütz setzt auf flexible Entscheidungsstrukturen, bei denen viele Aufgaben in den Teams selbst organisiert werden können – ein Ansatz, der das Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden stärken soll.
Eine Vision für die Zukunft der Arbeit
Deguma-Schütz geht bei der Gestaltung der Arbeitswelt neue Wege. Für Viktoria Schütz geht das ganz klar mit einem positiven Menschenbild einher – und der Bereitschaft zur Veränderung: „Ich glaube, dass in den Menschen immer mehr steckt, als sie denken, und dass viele Leute aufgrund ihrer Erziehung oder Ausbildung unter ihren Möglichkeiten bleiben. Es geht darum, Arbeit neu zu denken, weil es wirklich bescheuert ist, Dinge immer so zu machen, nur weil sie immer so gemacht wurden. Arbeitsmethoden sind nicht Gott gegeben, sondern haben sich entwickelt und diese Entwicklung geht weiter.“
Über das Projekt INNOfarm
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts InnoFARM haben drei Thüringer KMU innovative Formen von Arbeit getestet. Ein Team der TU Ilmenau hat die dabei gemachten Erfahrungen ausgewertet und in einem Methodenbaukasten aufbereitet.
Mehr zu dem Projekt gibt es hier.
DEGUMA-SCHÜTZ GmbH
Industriestraße 4–8
36419 Geisa
Webseite: www.deguma.com