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Wie New Work zum Erfolg führen kann
Drei Fragen an: Fränzi Kühne und Constanze Buchheim
New Work, Job-Sharing, Vier-Tage-Woche sind nur drei vermeintliche Buzzwords unter vielen, die einem auf dem Arbeitsmarkt und dem sozialen Netzwerk für berufliche Kontakte „LinkedIn“ regelmäßig begegnen. Doch vielerorts werden die neuen Arbeitsformen bereits implementiert. Vorreiterinnen in der Umsetzung sind die beiden Frauen Constanze Buchheim, Expertin für Recruiting und Führung, und Fränzi Kühne, Digitalisierungsexpertin.
Warum ist das Installieren neuer Arbeitsformen aktuell so ein wichtiges Thema?
Constanze Buchheim: Es ist notwendig, dass wir mehr Freiräume schaffen, denn die Informationsverdichtung, die wir erleben, ist einfach unglaublich. Sie ist nahezu nicht mehr bearbeitbar, weil wir Kommunikation auf allen Kanälen in Sofort-Geschwindigkeit in unterschiedlichen Rollen erleben. Allein durch die Geschwindigkeit der stattfindenden Kommunikation erledigen wir das Drei-, Vier- oder Fünffache. Früher habe ich einen Brief geschrieben und dann sieben Tage auf die Antwort gewartet. In der Zwischenzeit konnte ich ganz strukturiert anderen Thematiken nachgehen. Jetzt ist es so, dass ich permanent unter Beschuss meiner eigenen Aufgaben stehe. Damit geht ein hohes Level an Eigenverantwortung, Eigensteuerung und Komplexitätsmanagement einher. Das braucht die volle Gehirnpower und das kann man einfach nicht auf die gleiche Dauer wie früher ausführen. Da muss man umdenken und verkürzen.
Fränzi Kühne: Es taucht jetzt immer wieder die angeblich faule Gen Z auf. Dabei fordern sie eigentlich genau das ein, was die Alten sagen, wenn sie mit der Karriere abgeschlossen haben: Dass sie bereuen im Leben nicht gelebt, sondern nur gearbeitet zu haben. Durch den Fachkräftemangel sind ihnen bei ihren Forderungen kaum Grenzen gesetzt.
Was sind häufige Knackpunkte beim Installieren von New Work?
Fränzi Kühne: Oft wird die Führungsebene während des Transformationsprozesses vergessen. Einerseits bekommt sie von oben Druck, dass sie die neue Strategie umsetzen muss. Andererseits kommt von unten Druck durch die Ungewissheit und weil sich die Mitarbeitenden nicht geführt fühlen. Das heißt, die Führungsebene muss erstmal empowert werden, um das überhaupt umsetzen zu können.
Beim Abgeben von Verantwortung wiederum ist es die Kunst, das richtige Maß zu finden. In dem Moment, wenn man einen fähigen Mitarbeitenden hat, der mehr Verantwortung tragen will, ist es leicht, ihm alles zuzuschmeißen, selbst wenn es nicht rollenkonform und im Zweifel viel zu viel Verantwortung ist.
Constanze Buchheim ist Gründerin und Managing Partnerin der Personalberatung i-potentials. Gemeinsam mit ihrer Co-Geschäftsführerin Martina van Hettinga und ihrem Headhunter-Team transformiert sie die deutsche Digitalwirtschaft, indem sie die richtigen Fach- und Führungskräfte in die Unternehmen bringt. Darüber hinaus ist sie Aufsichtsrätin der „HHL Leipzig Graduate School of Management” sowie des Softwareunternehmens “Valsight” und seit Oktober 2022 Mitglied der Monopolkommission.
Fränzi Kühne ist Mitgründerin der ersten Social-Media Agentur in Deutschland TLGG, war einst mit 34 Jahren Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin und ist seit Anfang 2022 im Vorstand der Edding AG. Dort teilt sie sich mit ihrem Tandem-Partner Boontham Temaismithi, ebenfalls Mitgründer von TLGG, den Posten des Chief Digital Officers und treibt in dem Familienunternehmen die digitale Transformation voran. Neue Arbeitsmodelle zu etablieren ist auch dort Teil des Wandels.
Wie funktioniert Ihr Job-Sharing auf Vorstandsbeziehungsweise Führungsebene
Fränzi Kühne: Das erste halbe Jahr haben Boontham Temaismithi und ich beide Vollzeit gearbeitet, damit wir uns in die Organisation – in die Edding AG – reindenken können. Inzwischen arbeiten wir beide circa 55 Prozent. Das heißt, an sich sind wir schon teurer für das Unternehmen als eine Vollzeit-Stelle. Der Vorteil ist aber, dass bei uns die Ideen schonmal durch zwei Köpfe gegangen sind. In der Zusammenarbeit haben wir ein paar Grundsätze festgelegt: Wenn ich bei Entscheidungen nicht dabei bin, weil ich gerade nicht arbeite, dann übernimmt Boontham die volle Verantwortung dafür. Das wird dann nicht im Nachhinein revidiert oder nochmal angefasst, sondern der oder die, die gerade da ist, treffen die Entscheidungen. Ansonsten haben wir uns nach Inhalten aufgeteilt, sodass wir das Tandem nach Stärken besetzen und weniger nach Arbeitszeit. Außerdem stehen Boontham und ich sehr eng im Austausch. Wir telefonieren bestimmt fünfmal am Tag – jeden Tag.
Constanze Buchheim: Man muss Sachen festlegen, wie: Wer kann was? Wie teilen wir die Funktionen, die in diese Rollen fallen? Welche Bereiche davon übernimmt wer? Auf Basis welcher Stärke? Das haben meine Geschäftspartnerin, Martina van Hettinga, und ich getan. Auch wenn wir nicht fünfmal am Tag telefonieren, stehen wir in einem sehr engen Austausch. Wir haben uns für ein Meeting-Format entschieden. Montags und donnerstags kommen wir zusammen und verfolgen in den Meetings eine bestimmte Agenda. Montags ist es super operativ mit ein, zwei „Deepdives“, bei denen wir in bestimmte Themen, die sich überschneiden, reingehen und die Schnittmengen definieren. Den Donnerstags-Termin haben wir als sozialen Termin definiert. Wir gehen dabei immer Essen und besprechen ein Thema, das wirklich mit uns als Menschen zu tun hat. Wenn wir kein bestimmtes Thema haben, dann gehen wir mit Öffnungsfragen rein. Es geht dabei nur um uns!
Es ist für das gegenseitige Vertrauen sehr wichtig, dass wir als Team Inhaltliches miteinander abstimmen, sondern auch auf sozialer Ebene harmonieren. Wir haben wir auch schon den Fehler gemacht, den Donnerstags-Termin immer mal ausfallen zu lassen, weil wir dachten, der sei nicht so wichtig. Aber dann haben wir gemerkt, dass dadurch alles total ins Schlingern geraten ist. So eine enge berufliche Interaktion lebt einfach vom engen Austausch.
Interview: Sandra Böhm