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Wirtschaftliches Augenmaß ist unerlässlich

Wirtschaft und Sport

Es kann einem gefallen oder man kann es für Teufelszeug halten: Der moderne Fußball ist vor allem eines – ein riesiges Geschäft. Die Neubauten moderner Stadien, die in den letzten Jahren auch in Thüringen entstanden sind, zeugen davon. Jüngstes Beispiel: Mit dem Neubau der Ad-hoc-Arena verfügt der FC Carl Zeiss Jena über eine der modernsten Fußballarenen in der Regionalliga. Gleichzeitig bleibt der Verein sportlich wie wirtschaftlich in einem Umfeld, das finanzielle Weitsicht erfordert. Wie gelingt es, ambitionierte Infrastruktur mit nachhaltigem Vereinsmanagement zu verbinden – ohne sich zu übernehmen? Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des FCC, Patrick Widera, über Balanceakte, Strategien und die Rolle des Vereins in der Region.

Carl Zeiss

Foto: FCC​

Herr Widera, der FC Carl Zeiss Jena spielt auch in der aktuellen Saison in der Regionalliga – gleichzeitig steht mit der Ad-hoc-Arena ein modernes Stadion zur Verfügung. Wie bewerten Sie das Spannungsverhältnis zwischen sportlicher Realität und infrastrukturellem Anspruch?

Nun, es ist richtig, dass die Regionalliga momentan unsere sportliche Heimat ist – mittelfristig hoffen wir natürlich, sie sportlich „nach oben“ verlassen zu können. Aber durch die aktuelle Aufstiegsregelung haben wir einen „Rückstau“ von fünf, sechs Vereinen, die infrastrukturell ähnlich aufgestellt sind und eine ähnliche Zielstellung verfolgen. Daher ist wirtschaftliches Augenmaß unerlässlich. Vergessen wir aber nicht unsere 1. Frauenmannschaft, mit der wir in der Bundesliga spielen. Hier ist die Teilnahme bereits im Status quo an die Erfüllung zahlreicher infrastruktureller Voraussetzungen gebunden.

Durch das neue Stadion sind wir in der komfortablen Situation, all diese Voraussetzungen umfassend zu erfüllen, sodass wir uns auf die sportlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen konzentrieren können. Die Infrastruktur bildet somit die unverzichtbare Grundlage für eine langfristige und nachhaltige Entwicklung eines professionell aufgestellten Vereins.

Inwiefern stellt der Stadionneubau für den Verein eine wirtschaftliche Chance, aber auch ein mögliches Risiko dar?

Die Realitäten zeigen, dass wir uns mit Fertigstellung des Stadionneubaus in allen wesentlichen Ertragssäulen – das sind bei uns Werbung/Sponsoring, Spielbetrieb/Ticketing und Merchandise/Lizenzen – signifikant, das heißt fast durchweg mit mindestens einer Verdoppelung der Einnahmen verbessert haben. Zwischenzeitlich haben wir mit der Männermannschaft höhere Einnahmen, als während der dreijährigen Drittligazugehörigkeit von 2017 bis 2020. Damit müssen wir eine höhere Mietbelastung, deutlich gestiegene Spielbetriebskosten wie Reinigung oder Ordnungsdienst bestreiten sowie natürlich auch unseren Beitrag zur Instandhaltung beziehungsweise Wartung einer solchen Immobilie leisten. Durch gemeinsame Anstrengungen von Stadt, Betreiber elf5 sowie natürlich dem FCC ist uns das in den vergangenen beiden Spielzeiten hervorragend gelungen, sodass wir mit Abschluss der Saison 2024/2025 erstmals seit langer Zeit auf einen ausgeglichenen Jahresabschluss hoffen dürfen.

Ich möchte aber nicht verschweigen, dass hier einige Sondereffekte zu unseren Gunsten gewirkt haben. Langfristig müssen wir in allen Geschäftsbereichen weiter wachsen, um dauerhaft ein strukturell ausgeglichenes Ergebnis sicherstellen zu können.

Viele Vereine in ähnlicher Lage geraten in die Versuchung, sportlichen Erfolg mit hohen Investitionen erzwingen zu wollen. Wie stellt der FCC sicher, nicht in diese Falle zu tappen und gesund zu wachsen?

In der Tat ist das nicht so einfach. Sie müssen die Zusammenhänge betrachten – ohne sportliche Ambitionen oder eine hoffnungsvolle Mannschaft sinkt das Interesse der Werbekunden oder auch der Ticketverkauf. Dieses Spannungsfeld begleitet uns täglich. In der Regionalliga haben wir eine Breite und Dichte an Vereinen, die in ähnlicher Struktur und vergleichbarer Zielstellung agieren. Die Wettbewerber agieren in einem ähnlichen Rahmen.

Daher haben wir uns dazu entschieden, unser Nachwuchsleistungszentrum beziehungsweise unser Know-how in der Ausbildung von Talenten als Wettbewerbsfaktor zu fördern beziehungsweise zum Wettbewerbsvorteil zu entwickeln. Wir erhoffen uns, aus einer Mischung von selbst ausgebildeten Talenten, geführt von erfahrenen Eckpfeilern, erfolgreichen Fußball konzipieren zu können. Dabei ist klar, dass wir Talente, die wir entwickeln und für die die Regionalliga „zu klein“ wird, verlieren werden. Wichtig ist, dass wir hierfür angemessene Ausbildungsentschädigungen oder Ablösen generieren. Dies hat in der letzten Saison ausgezeichnet funktioniert. Die Entwicklung dieser zusätzlichen Ertragssäule ist somit eine strategische Aufgabe.

Außerdem muss erwähnt werden, dass die Bundesligateilnahme der Frauen für den FC Carl Zeiss Jena auch wirtschaftlich äußerst attraktiv ist. Wir wünschen uns, dass noch mehr Unternehmen oder Unternehmerpersönlichkeiten – gerade weibliche – diesen Stützpfeiler unseres Vereins für sich entdecken.

Welche langfristige Vision haben Sie für den FC Carl Zeiss Jena in Bezug auf sportlichen Erfolg und wirtschaftliche Gesundheit, insbesondere im Kontext des neuen Stadions? Will heißen: Welche wirtschaftlichen Modelle verfolgt der Verein, um nachhaltig zu wachsen – auch unabhängig vom sportlichen Erfolg?

Wir sind keine Bank – zusätzliche Erträge oder eine höhere Handlungsfreiheit würden wir zu großen Teilen in die sportliche Entwicklung investieren können. Wichtigste Voraussetzungen für langfristigen sportlichen Erfolg sind aber die strukturelle finanzielle Stabilität, gepaart mit der geeigneten Infrastruktur. Auf dieser Grundlage sehen wir uns agieren. Ambitionierter Fußball in der Regionalliga lässt sich dauerhaft aber kaum wirtschaftlich darstellen.

Der FC Carl Zeiss Jena hat in der Vergangenheit Höhen und Tiefen erlebt. Welche Lehren aus früheren Jahren fließen heute in die strategische Ausrichtung des Vereins ein?

Ich versuche es mit einer These: Wir wollen und sollten stets sportlichen Erfolg aus wirtschaftlichem Erfolg generieren und nicht umgekehrt. Inzwischen darf ich seit über 20 Jahren im professionellen Fußball arbeiten; der nachhaltige Ansatz und der Gedanke, dass ein Schuss auch an den Pfosten, ein vermeintlicher Star sich auch als Flop, eine Meisterhoffnung im Abstiegskampf enden kann und die Erfahrung, dass auf ein wichtiges Spiel stets ein „noch wichtigeres“ folgt, haben mich in der Entscheidungsfindung geprägt. Wann immer das sein wird: unseren Nachfolgerinnen und Nachfolgern wollen wir einen zukunftsfähig aufgestellten FC Carl Zeiss Jena übergeben.

In welcher Rolle sehen Sie den FCC in der Region – als reinen Fußballverein oder als gesellschaftlich-kulturellen Akteur mit erweiterter Verantwortung?

Wir arbeiten gerne mit dem Claim „Mehr als Fußball“ – damit ist eigentlich schon viel gesagt. Wenn man sieht, welche Emotionen der FC Carl Zeiss bei seinen Anhängern auslöst, welches Interesse er in unserer Region genießt, welche Partner uns vertrauen, dann muss man sagen, dass Fußball unser Kerngeschäft darstellt, wir aber in alle Bereiche der Gesellschaft wirken.

Zudem engagieren wir uns aus Überzeugung seit einiger Zeit im Bereich Nachhaltigkeit – wir haben dies in unserer Satzung der Spielbetriebsgesellschaft verankert, konkrete Maßnahmen beschlossen und auch eine Partnerebene „Nachhaltigkeitspartner“ etabliert, um Unternehmen aus Thüringen ein Netzwerk zu bieten, für die Sponsoring momentan nicht das passende Instrument ist. Hier gestalten wir ganz konkrete Projekte. Oder sehen Sie unsere „Tour durch die Region“. Wir stehen mitten in der Gesellschaft.

Interview: Torsten Laudien

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