Wie aus einem Standortvorteil Heimat wurde
Wolfgang Kühnhold, Gründungsgeschäftsführer der N3 Engine Overhaul Services GmbH
Was 2004 auf dem Reißbrett zum Industriegebietes „Erfurter Kreuz“ begann, ist heute eine der erfolgreichsten Industrieansiedlungsgeschichten der neuen Bundesländer. Geschäftsführende der neu angesiedelten Unternehmen kamen aus allen Regionen der Welt. Einige von ihnen fanden in Thüringen ihre neue Heimat, darunter Wolfgang Kühnhold, Gründungsgeschäftsführer der N3 Engine Overhaul Services GmbH & Co. KG und heutiger Bürgermeister von Ingersleben. Wie aus der Arbeitsaufgabe eine neue Heimat wurde, berichtet Kühnhold im WIRTSCHAFTSSPIEGEL Interview.
Erzählen Sie kurz von Ihrem beruflichen Weg: Wie sind Sie nach Thüringen gekommen?
Im November 2004 haben wir uns nach einer europaweiten Ausschreibung für das neue Joint Venture „N3 Engine Overhaul Services“ für den Standort am Erfurter Kreuz entschieden. Wichtige Kriterien waren die qualifizierten Fachkräfte aus der metallverarbeitenden Industrie und die zentrale Lage in Europa mit den guten Verkehrsanbindungen über Straße und Schiene. Ein weiterer entscheidender Grund war das Engagement der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen. Nicht nur bei der Erschließung des Grundstückes im Gewerbegebiet und dem Mietfabrik Modell, auch darüber hinaus war die LEG ein wichtiger Partner für attraktive Rahmenbedingungen, die langfristig angelegt waren. Die Erfurt Bildungszentrum gGmbH war ein kompetenter Partner für das umfangreiche technische Qualifizierungsprogramm vor Ort. Rückblickend kann ich sagen, dass die Ausbildung der circa 350 Mitarbeitenden ein Schlüssel für den Erfolg der Ansiedlung war.
Warum ist für Sie Thüringen der ideale Standort zum Arbeiten? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Thüringen ist ein kleines Bundesland, in dem die Wege zu kommunalen Entscheidungsträgern und Behörden übersichtlich sind. Natürlich braucht man einen Partner, der die Kontakte knüpft und die Kommunikation unterstützt. Mit der LEG Thüringen fanden wir diesen Partner und dank der Unterstützung der Behörden und der Politik konnte das Werk mit einem Investitionsvolumen von circa 100 Millionen Euro in Rekordzeit erstellt werden. Gemeinsam mit der Arbeitsagentur Erfurt, dem Erfurt Bildungszentrum und der Lufthansa Technical Training, konnte binnen kürzester Zeit das umfangreiche Trainingsprogramm aufgesetzt werden. Immerhin mussten circa 350 Mitarbeitenden das luftfahrttechnische Wissen und die praktischen Fähigkeiten zur Überholung, Reparatur und zum Test von Rolls-Royce Trent Triebwerken vermittelt werden.
Welche Faktoren haben dazu geführt, dass Sie ausgerechnet in Thüringen gegründet haben?
Sicher war das Engagement des Freistaates von entscheidender Bedeutung, warum wir gerade in Thüringen gegründet haben. Mit der Unterstützung des Landes gelang es, den politischen Willen in konkrete und langfristige Maßnahmen umzusetzen. Das hat schlussendlich den Ausschlag gegeben. Das Vertrauen, was in dieser Zeit aufgebaut wurde, ist noch heute die Basis der Zusammenarbeit.
Haben Sie sich bewusst für Erfurt entschieden und wenn ja, warum?
Aufgrund der Transportproblematik, denn die Triebwerke werden auf Tieflader über die Straße angeliefert, suchten wir einen Standort nahe der Autobahn. Die LEG Thüringen hat zu diesem Zeitpunkt das Industriegebiet Erfurter Kreuz entwickelt. Damit ergab sich der Arbeitsort.
Zudem gelang es, dass wir auch als Familie in der Nähe Erfurts einen schönen Wohnort finden konnten. Der Charme von Erfurt hat sich uns erst im Laufe der Jahre erschlossen. Durch interessante und spannende Stadtführungen haben wir die Geschichte und Bedeutung Erfurts kennengelernt. Bei der Gastronomie ging es etwas schneller. Durch die Bundesgartenschau 2021 hat die Stadt weiter an Attraktivität gewonnen. Die positiven Kommentare, die ich von unseren N3 Kunden und Shareholdern bekommen habe, bestätigen die Attraktivität Erfurts. Mitarbeiter von Rolls-Royce und Lufthansa Technik, die temporär zu N3 abgeordnet waren, kommen immer wieder gern zurück, um Erfurt zu besuchen.
Abseits des Arbeitslebens in Thüringen: Was machen Sie privat in unserem Freistaat am liebsten?
Thüringen ist ein grünes und waldreiches Bundesland. Ich fahre Mountainbike und Rennrad, dafür finde ich schöne Strecken in unserer Region. Den Thüringer Wald vor der Haustür zu haben, nutzen wir leider noch zu selten. Im Rahmen der Bundesgartenschau haben wir die Außenstellen der Buga besucht und sind dort auf Kleinode gestoßen. Die zahlreichen Burgen, Schlösser und Gärten, mit zum Teil großer historischer Bedeutung, sind tolle Ausflugsziele. Das kulturelle Angebot ist vielfältig und für fast jeden Geschmack ist was dabei.
Sehen Sie ihre Zukunft in Thüringen?
Nach acht Jahren pendeln zwischen Frankfurt und Nesse-Apfelstädt bin ich seit Anfang 2019 wieder zurück in Thüringen. Seitdem engagiere ich mich in der Kommunalpolitik der Landgemeinde, bin seit Mai 2019 im Gemeinderat und seit September 2021 Ortschaftsbürgermeister von Ingersleben. Natürlich werden wir auch in Zukunft wieder mehr reisen und unterwegs sein, aber Thüringen ist unsere Heimat geworden, hier fühlen wir uns als Familie wohl, sind vernetzt und angekommen. Hier haben wir unseren Lebensmittelpunkt eingerichtet. Also ja, ich sehe meine Zukunft in Thüringen.
Wir danken ihnen für dieses Interview. (jp)