Lesedauer: 13 Minuten

„Uns immer wieder neu zu erfinden, liegt in unserer DNA“

Region im Profil: Landkreis Sömmerda

Seit vergangenem Sommer sind viele Chefsessel in den Landratsämtern neu besetzt. Einer davon steht in Sömmerda. Hier amtiert jetzt Christian Karl. Der 45-jährige Christdemokrat steht damit einem Landkreis vor, der auf eine bewegte Geschichte zurückblickt. Und auch die Zukunft dürfte nicht weniger heraus fordernd sein. Im Interview mit dem WIRTSCHAFTSSPIEGEL macht der Landrat eine Bestandsaufnahme seines oftmals unterschätzten Kreises. Außerdem richtet er den Blick nach vorn und umreißt seine Pläne für dessen Zukunft – trotz aller Unwägbarkeiten.

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Blick über eine Gewerbeansiedlung in der Stadt Sömmerda | Foto: ©Max – stock.adobe.com

​Herr Landrat, bei vielen Menschen in Thüringen fliegt der Landkreis Sömmerda sozusagen unter dem Radar. Kaum jemand macht sich die Mühe, einmal abseits der A71 auf Entdeckungsreise zu gehen. Dem wollen wir heute abhelfen. Beginnen wir mit der Wirtschaft: Beschreiben Sie doch bitte das wirtschaftliche Profil Ihres Landkreises.

Unsere Kernkompetenzen liegen vor allem im Bereich der Metallbe- und -verarbeitung, der Kunststoffindustrie, der Feinmechanik, der Computer- und Kommunikationstechnik. Auch die Nahrungsmittelproduktion mit der Herstellung von Rohstoffen und deren Weiterverarbeitung spielt im Branchenmix unseres Wirtschaftsstandorts eine wichtige Rolle. Ich denke da beispielsweise an die unzähligen landwirtschaftlichen Betriebe, den Erdbeerhof Gebesee, Meggle in Gebesee, die Kräutermühle in Kölleda oder die heimischen Bäckermeister, die Kun den weit über die Kreisgrenzen hinaus mit Produkten zu begeistern wissen.

Viele namhafte, aber auch nicht so bekannte Unternehmen sind Weltmarktführer in ihrer Branche. So wird man auf Bahnhöfen weltweit mit Anzeigetechnik von Funkwerk aus Kölleda geleitet. Beeindruckend sind auch die Entwicklungen und Investitionen im Bereich der Medizintechnik. Mit Audifon, Audia Akustik oder Asskea haben sich Unternehmen mit erheblichem Zukunftspotenzial im Landkreis etabliert.

Unser Wirtschaftsstandort ist stark, innovativ, wandelbar – und er muss sich nicht verstecken. Gleichwohl steht er trotz seiner Heterogenität und seines, auch historisch gewachsenen, Know-hows in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals im Schatten von Erfurt, Jena oder Gotha. Dabei können wir auf eine 200-jährige Industriegeschichte zurückblicken. Der Unternehmergeist von Johann Nicolaus Dreyse legte den Grundstein für die Industrialisierung der Region, das Zündnadelgewehr wurde in Sömmerda erfunden.

In der DDR gehörte Sömmerda zu den führenden Herstellern von Bürotechnik. Das Problem: Zwar kennen viele Menschen die hier hergestellten Produkte, zum Beispiel den PC 1715, aber sie verbinden sie nicht sofort mit unserem Wirtschaftsstandort. Oder ein anderes Beispiel: Wussten Sie, dass die Motoren für die Simson SR1, bei der viele direkt an Suhl denken, auch in Sömmerda gebaut wurden?

Diese Industrietradition spiegelt unser Wirtschaftsprofil noch heute wider: Mercedes-Motoren, Bestandteile des Automobils wie Karosserie, Querlenker oder Bremszylinder kommen aus unserem Landkreis. Bekannte Computer- und Technikdienstleister haben sich hier angesiedelt. Wir dürfen uns, trotz aller aktuellen Krisen und Herausforderungen, deshalb zu künftig noch selbstbewusster auf dem Markt präsentieren.

Bevor wir dieses Thema weiter vertiefen, lassen Sie uns erst noch auf andere Standortfaktoren zu sprechen kommen. Beginnen wir mit der Infrastruktur. Vor knapp zehn Jahren ist die Autobahn A71 fertiggestellt worden. Mit ihr waren viele Hoffnungen – auch in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung – verbunden. Haben die sich erfüllt?

Seine zentrale Lage und die hervorragende verkehrstechnische Anbindung ist seit jeher ein großer Standort vor teil des Landkreises. Mit der Fertigstellung der A 71 haben sich die Hoffnungen in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung eindeutig er füllt. Namhafte Unternehmen wie MDC Power in Kölleda, Mubea Fahrwerksfedern in Weißensee oder Erdrich Umformtechnik in Orlishausen haben sich niedergelassen. Für die Firmenverantwortlichen war die Autobahnanbindung nach eigener Aussage ein entscheidendes Kriterium bei der Frage der Standortwahl.

Gleichwohl sehe ich die optimale Verkehrslage mit Bundesstraßen und Autobahnen nicht ausschließlich positiv. Weniger als 30 Minuten dauert die Fahrt von Sömmerda in die Landeshauptstadt Erfurt – und das hat mit Blick auf Pendlerbewegungen oder den Freizeitsektor eines Landkreises im Windschatten einer Großstadt durchaus auch Nachteile.

Und abseits der Autobahn? Wie ist es um die Verkehrsinfrastruktur und den ÖPNV in Ihrem Landkreis bestellt?

Die günstigen Verkehrsanbindungen haben unsere Wirtschaft positiv geprägt. Gegenwärtig verfügt der Landkreis über ein Straßennetz mit den Bundesstraßen 4, 85, 86 und 176. Darüber hinaus führen gleich mehrere Bahnlinien durch den Landkreis: Die wichtigste ist die Verbindung von Erfurt über Sangerhausen nach Magdeburg, gefolgt von den Strecken Erfurt – Nordhausen sowie Erfurt – Leinefelde.

Stolz sind wir auch auf die älteste Schienenverbindung der Pfefferminzbahn, die Buttstädt und Sömmerda miteinander verbindet. Ihr hoher historischer, touristischer und wirtschaftlicher Wert spricht aus unserer Sicht für die Pläne, die Pfefferminz bahn zukünftig wieder auf der ursprünglichen Strecke von Straußfurt bis nach Großheringen anzubinden.

Hinzu kommt ein sehr gut organisierter Öffentlicher Personennahverkehr, der den Landkreis dank zentraler Umstiegsmöglichkeiten sowohl mit der Landeshauptstadt Erfurt als auch mit der Klassikerstadt Weimar verbindet. Natürlich könnte das Angebot an gut getakteten Busverbindungen in der Fläche größer sein. Doch wie nahezu überall im ländlichen Raum ist das am Ende eine Abwägung der Kosten mit den tatsächlichen Nutzer zahlen.

Sprechen wir über das Thema Bildung. Am allgegenwärtigen Lehrermangel werden Sie als Landrat kaum etwas ändern können. Aber wie sieht es in den Schulen des Landkreises und generell mit der Kinderbetreuung aus?

Richtig, dem Lehrermangel kann ich als Landrat unmittelbar nur wenig entgegensetzen. Doch wir schaffen gute Lernvoraussetzungen mit einer guten Schulinfrastruktur in Form von Gebäuden und Technik. In diesen bei den Bereichen sind wir – und das sage ich, ohne zu übertreiben – in Thüringen ganz weit vorne!

Seit 1990 hat der Landkreis weit mehr als 100 Millionen Euro in die Sanierung und den Neubau seiner Schulstandorte investiert. Unser Ziel Seit 1990 hat der Landkreis weit mehr als 100 Millionen Euro in die Sanierung und den Neubau seiner Schulstandorte investiert.

Landrat Christian Karl | Foto: LRA Sömmerda

Landrat Christian Karl | Foto: LRA Sömmerda

Sömmerda 4

Industrieausstellung Sömmerda | Foto: LRA Sömmerda

Heute können wir zu Recht behaupten, dass die Schulen in unserer Trägerschaft größtenteils in einem baulichen Zustand sind, der weit über dem Landesdurchschnitt liegt. Thüringen weit gehört unser Landkreis außer dem zu den Spitzenreitern in Sachen Schul-Digitalisierung. Der „Digital Pakt Schule“ war eine Initialzündung, um die Schulen ans Netz zu bringen und die technische Ausstattung mit digitalen Medien voranzutreiben.

Wie weit wir im Landkreis sind – auch im Vergleich zu anderen Kommunen – zeigen beispielsweise die Diskussionen im Kreistag. Hier wird nicht mehr darüber gesprochen, dass wir digitale Tafelsysteme einbauen müssen. Stattdessen zeigt bei uns der pädagogische Alltag schon längst, dass ergänzende Feinheiten wie Sonnenreflektoren nötig sind, um den Gebrauch der Monitore im Unterricht verbessern.

Wir haben zudem ein gut ausgebautes Netz an Kindertagesstätten mit einer Ganztagsbetreuung, die sich auch in den weiterführenden Bildungseinrichtungen fortsetzt. Ob Arbeitsgemeinschaften, Kooperationen mit Unter nehmen, ein ausgeprägtes Vereinsleben – das übrigens ebenfalls vom guten Ausbauzustand unserer Schulturnhallen profitiert –, die Stadt- & Kreismusikschule, die Stadt- & Kreisbibliothek, die Kreisvolks hoch schule, die zahlreichen Freibäder und vieles mehr, sie alle bieten sehr gute ergänzende Angebote für alle Altersklassen.

In dieser Dichte können das die wenigsten Wirtschaftsstandorte in Deutschland für sich beanspruchen. Doch darauf ruhen wir uns nicht aus. Wir werden auch in Zukunft trotz zu nehmend schwieriger Haushaltslage im Rahmen unserer Möglichkeiten weiter investieren, um unseren Landkreis als lebenswerten und leben digen Ort zu erhalten.

Vor Ihrer Wahl zum Landrat sind Sie jahrelang im Kreistag und im Sömmerdaer Stadtrat tätig gewesen. Vor diesem Hintergrund: Wie wichtig ist Ihnen die interkommunale Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden im Landkreis?

Als Landrat stehe ich zwar an erster Stelle dem Landkreis vor, weiß aber natürlich im Rahmen dieser Aufgabe auch um meine Verantwortung für die Kommunen. Der Landkreis und seine Menschen brauchen aktive und finanziell handlungsfähige Kommunen. Vor diesem Hintergrund war es mir besonders wichtig, unsere Kommunen mit einer drastischen Erhöhung der Kreisumlage finanziell nicht in die Knie zu zwingen – auch wenn unsere eigene Haushaltslage zunehmend prekärer wird. Interkommunale Zusammenarbeit ist mir wichtig, weil wir nur gemeinsam unseren Landkreis zukunftsfähig aufstellen können.

Ein gutes Beispiel für gelingende interkommunale Zusammenarbeit ist unsere Arbeitsgemeinschaft „Kommunale Informations- und Datendienste Sömmerda (KIDS)“. Über Gemeindegrenzen hinweg arbeiten wir zusammen an Digitalisierungsprojekten. So ist zum Beispiel der Aufbau eines modernen und zukunftsfähigen Kreisrechenzentrums gelungen.

Ein weiteres Beispiel ist der Breitbandausbau: Seit 2016 koordinieren wir auf Beschluss des Kreistags den geförderten Breitbandausbau für unsere Kommunen. Im Rahmen des „Weiße Flecken-Programms“ sind immer mehr einst unterversorgte Ge biete in den Genuss eines Glasfaseranschlusses gekommen. Dank der zentralen Antragstellung und Bündelung fachlicher Ressourcen haben wir die Gemeindehaushalte um über 1,2 Millionen Euro entlastet.

Des Weiteren haben wir seit der Wende in interkommunaler Zusammenarbeit die Gewerbegebiete vermarktet, die derzeit so gut ausgelastet sind, dass wir perspektivisch weitere Ansiedlungsflächen benötigen. Um Investoren auch weiterhin entsprechende Areale anbieten zu können, arbeiten wir gemeinsam mit der LEG sowie den Städten Kölleda und Sömmerda intensiv an der Erschließung der über 100 Hektar großen Investitionsfläche „IG 3“. Trotz aller Hiobsbotschaften, insbesondere aus der Automobilbranche, verbinden wir mit IG 3 die Hoffnung, den Grundstein für eine weitere positive Wirtschaftsentwicklung zu legen.

Eingangs haben Sie die Branchenstruktur im Landkreis beschrieben. Es fällt auf, dass die Automotive-Branche ein Schwerpunkt ist. Die steckt bekanntlich in der Krise. Was kann der Landkreis tun, um hier zu helfen und wo sind Sie bereits aktiv?

Leider jagt auch bei uns derzeit eine schlechte Nachricht die nächste. So haben gleich mehrere Unternehmen der Automobilzuliefer-Branche angekündigt, an ihren Standorten im Landkreis Sömmerda Stellen abzubauen.

Doch es ist keinesfalls so, dass wir hier wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen. Agieren ist nun mal wichtiger als reagieren. Für volle Auftragsbücher können wir leider nicht sorgen. Ziel unserer Bestrebungen ist es viel mehr, die Unternehmen widerstands fähiger gegenüber den Veränderungen in der Branche zu machen.

Dabei müssen wir auch über Kreis grenzen hinausdenken und uns starke Partner suchen. Ein solcher Partner ist das Netzwerk ANeTT. Als Teil des Automotive Netzwerks Transformation Thüringen unterstützen wir die regionalen Unternehmen bei der Bewältigung des tiefgreifenden Strukturwandels. Von der Zusammenarbeit erhoffen wir uns wichtige Impulse für unsere Wirtschaft.

Wir haben erkannt, dass ein zentraler Ansatzpunkt für die Stärkung der Transformationsfähigkeit der Unter nehmen der Kompetenzaufbau der Beschäftigten ist. Um den Anforderungen der Arbeitswelt von morgen gerecht zu werden, sind große Anstrengungen bei der Qualifizierung der Arbeitnehmer notwendig. So gibt es seit Anfang August 2024 in der Volkshochschule Sömmerda ein Netz werk-Büro für Qualifikation, Transfer und Information, ein so genannter QTI-Knoten, als Raum für zielgerichtete Weiterbildungsangebote.

Die Fachkräftesicherung hat für den Landkreis Sömmerda höchste Priorität. Nur mit einer breit aufgestellten Wirtschaft und einer hohen Ausbildungsbereitschaft können wir als attraktiver Wirtschaftsstandort und Lebensort wahrgenommen werden.

Durch den demografischen Wandel und die verstärkte Abwanderung junger Menschen fehlt es jedoch zunehmend an Fachkräften.

Wir kümmern uns deshalb fachübergreifend intensiv um den Übergang Schule-Wirtschaft, bieten mit der jährlichen Berufsinfobörse oder der Praktikums- und Ausbildungsbörse verschiedene Vernetzungsformate an. Mit dem Unternehmensnetzwerkabend, einem Wissensaustausch an wechselnden Orten, bieten wir eine branchenübergreifende Plattform zur Netzwerkpflege.

Indem wir den Wandel gemeinsam mit den Unternehmen gestalten, kann es uns gelingen, den Wirtschaftsstandort zu erhalten, ihn zu stärken und langfristig tausende Arbeitsplätze zu sichern.

Vor Ihrer Wahl zum Landrat sind Sie jahrelang im Kreistag und im Sömmerdaer Stadtrat tätig gewesen. Vor diesem Hintergrund: Wie wichtig ist Ihnen die interkommunale Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden im Landkreis?

Als Landrat stehe ich zwar an erster Stelle dem Landkreis vor, weiß aber natürlich im Rahmen dieser Aufgabe auch um meine Verantwortung für die Kommunen. Der Landkreis und seine Menschen brauchen aktive und finanziell handlungsfähige Kommunen. Vor diesem Hintergrund war es mir besonders wichtig, unsere Kommunen mit einer drastischen Erhöhung der Kreisumlage finanziell nicht in die Knie zu zwingen – auch wenn unsere eigene Haushaltslage zunehmend prekärer wird. Interkommunale Zusammenarbeit ist mir wichtig, weil wir nur gemeinsam unseren Landkreis zukunftsfähig aufstellen können.

Ein gutes Beispiel für gelingende interkommunale Zusammenarbeit ist unsere Arbeitsgemeinschaft „Kommunale Informations- und Datendienste Sömmerda (KIDS)“. Über Gemeindegrenzen hinweg arbeiten wir zusammen an Digitalisierungsprojekten. So ist zum Beispiel der Aufbau eines modernen und zukunftsfähigen Kreisrechenzentrums gelungen.

Ein weiteres Beispiel ist der Breitbandausbau: Seit 2016 koordinieren wir auf Beschluss des Kreistags den geförderten Breitbandausbau für unsere Kommunen. Im Rahmen des „Weiße Flecken-Programms“ sind immer mehr einst unterversorgte Ge biete in den Genuss eines Glasfaseranschlusses gekommen. Dank der zentralen Antragstellung und Bündelung fachlicher Ressourcen haben wir die Gemeindehaushalte um über 1,2 Millionen Euro entlastet.

Des Weiteren haben wir seit der Wende in interkommunaler Zusammenarbeit die Gewerbegebiete vermarktet, die derzeit so gut ausgelastet sind, dass wir perspektivisch weitere Ansiedlungsflächen benötigen. Um Investoren auch weiterhin entsprechende Areale anbieten zu können, arbeiten wir gemeinsam mit der LEG sowie den Städten Kölleda und Sömmerda intensiv an der Erschließung der über 100 Hektar großen Investitionsfläche „IG 3“. Trotz aller Hiobsbotschaften, insbesondere aus der Automobilbranche, verbinden wir mit IG 3 die Hoffnung, den Grundstein für eine weitere positive Wirtschaftsentwicklung zu legen.

Eingangs haben Sie die Branchenstruktur im Landkreis beschrieben. Es fällt auf, dass die Automotive-Branche ein Schwerpunkt ist. Die steckt bekanntlich in der Krise. Was kann der Landkreis tun, um hier zu helfen und wo sind Sie bereits aktiv?

Leider jagt auch bei uns derzeit eine schlechte Nachricht die nächste. So haben gleich mehrere Unternehmen der Automobilzuliefer-Branche angekündigt, an ihren Standorten im Landkreis Sömmerda Stellen abzubauen.

Doch es ist keinesfalls so, dass wir hier wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen. Agieren ist nun mal wichtiger als reagieren. Für volle Auftragsbücher können wir leider nicht sorgen. Ziel unserer Bestrebungen ist es viel mehr, die Unternehmen widerstands fähiger gegenüber den Veränderungen in der Branche zu machen.

Dabei müssen wir auch über Kreis grenzen hinausdenken und uns starke Partner suchen. Ein solcher Partner ist das Netzwerk ANeTT. Als Teil des Automotive Netzwerks Transformation Thüringen unterstützen wir die regionalen Unternehmen bei der Bewältigung des tiefgreifenden Strukturwandels. Von der Zusammenarbeit erhoffen wir uns wichtige Impulse für unsere Wirtschaft.

Wir haben erkannt, dass ein zentraler Ansatzpunkt für die Stärkung der Transformationsfähigkeit der Unter nehmen der Kompetenzaufbau der Beschäftigten ist. Um den Anforderungen der Arbeitswelt von morgen gerecht zu werden, sind große Anstrengungen bei der Qualifizierung der Arbeitnehmer notwendig. So gibt es seit Anfang August 2024 in der Volkshochschule Sömmerda ein Netz werk-Büro für Qualifikation, Transfer und Information, ein so genannter QTI-Knoten, als Raum für zielgerichtete Weiterbildungsangebote.

Die Fachkräftesicherung hat für den Landkreis Sömmerda höchste Priorität. Nur mit einer breit aufgestellten Wirtschaft und einer hohen Ausbildungsbereitschaft können wir als attraktiver Wirtschaftsstandort und Lebensort wahrgenommen werden.

Durch den demografischen Wandel und die verstärkte Abwanderung junger Menschen fehlt es jedoch zunehmend an Fachkräften.

Wir kümmern uns deshalb fachübergreifend intensiv um den Übergang Schule-Wirtschaft, bieten mit der jährlichen Berufsinfobörse oder der Praktikums- und Ausbildungsbörse verschiedene Vernetzungsformate an. Mit dem Unternehmensnetzwerkabend, einem Wissensaustausch an wechselnden Orten, bieten wir eine branchenübergreifende Plattform zur Netzwerkpflege.

Indem wir den Wandel gemeinsam mit den Unternehmen gestalten, kann es uns gelingen, den Wirtschaftsstandort zu erhalten, ihn zu stärken und langfristig tausende Arbeitsplätze zu sichern.

Industrieausstellung Sömmerda

Auf der Industrieausstellung SÖM zeigt der Landkreis seine Stärken. | Foto: LRA Sömmerda

Vor Ihrer Wahl zum Landrat sind Sie jahrelang im Kreistag und im Sömmerdaer Stadtrat tätig gewesen. Vor diesem Hintergrund: Wie wichtig ist Ihnen die interkommunale Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden im Landkreis?

Als Landrat stehe ich zwar an erster Stelle dem Landkreis vor, weiß aber natürlich im Rahmen dieser Aufgabe auch um meine Verantwortung für die Kommunen. Der Landkreis und seine Menschen brauchen aktive und finanziell handlungsfähige Kommunen. Vor diesem Hintergrund war es mir besonders wichtig, unsere Kommunen mit einer drastischen Erhöhung der Kreisumlage finanziell nicht in die Knie zu zwingen – auch wenn unsere eigene Haushaltslage zunehmend prekärer wird. Interkommunale Zusammenarbeit ist mir wichtig, weil wir nur gemeinsam unseren Landkreis zukunftsfähig aufstellen können.

Ein gutes Beispiel für gelingende interkommunale Zusammenarbeit ist unsere Arbeitsgemeinschaft „Kommunale Informations- und Datendienste Sömmerda (KIDS)“. Über Gemeindegrenzen hinweg arbeiten wir zusammen an Digitalisierungsprojekten. So ist zum Beispiel der Aufbau eines modernen und zukunftsfähigen Kreisrechenzentrums gelungen.

Ein weiteres Beispiel ist der Breitbandausbau: Seit 2016 koordinieren wir auf Beschluss des Kreistags den geförderten Breitbandausbau für unsere Kommunen. Im Rahmen des „Weiße Flecken-Programms“ sind immer mehr einst unterversorgte Ge biete in den Genuss eines Glasfaseranschlusses gekommen. Dank der zentralen Antragstellung und Bündelung fachlicher Ressourcen haben wir die Gemeindehaushalte um über 1,2 Millionen Euro entlastet.

Des Weiteren haben wir seit der Wende in interkommunaler Zusammenarbeit die Gewerbegebiete vermarktet, die derzeit so gut ausgelastet sind, dass wir perspektivisch weitere Ansiedlungsflächen benötigen. Um Investoren auch weiterhin entsprechende Areale anbieten zu können, arbeiten wir gemeinsam mit der LEG sowie den Städten Kölleda und Sömmerda intensiv an der Erschließung der über 100 Hektar großen Investitionsfläche „IG 3“. Trotz aller Hiobsbotschaften, insbesondere aus der Automobilbranche, verbinden wir mit IG 3 die Hoffnung, den Grundstein für eine weitere positive Wirtschaftsentwicklung zu legen.

Eingangs haben Sie die Branchenstruktur im Landkreis beschrieben. Es fällt auf, dass die Automotive-Branche ein Schwerpunkt ist. Die steckt bekanntlich in der Krise. Was kann der Landkreis tun, um hier zu helfen und wo sind Sie bereits aktiv?

Leider jagt auch bei uns derzeit eine schlechte Nachricht die nächste. So haben gleich mehrere Unternehmen der Automobilzuliefer-Branche angekündigt, an ihren Standorten im Landkreis Sömmerda Stellen abzubauen.

Doch es ist keinesfalls so, dass wir hier wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen. Agieren ist nun mal wichtiger als reagieren. Für volle Auftragsbücher können wir leider nicht sorgen. Ziel unserer Bestrebungen ist es viel mehr, die Unternehmen widerstands fähiger gegenüber den Veränderungen in der Branche zu machen.

Dabei müssen wir auch über Kreis grenzen hinausdenken und uns starke Partner suchen. Ein solcher Partner ist das Netzwerk ANeTT. Als Teil des Automotive Netzwerks Transformation Thüringen unterstützen wir die regionalen Unternehmen bei der Bewältigung des tiefgreifenden Strukturwandels. Von der Zusammenarbeit erhoffen wir uns wichtige Impulse für unsere Wirtschaft.

Wir haben erkannt, dass ein zentraler Ansatzpunkt für die Stärkung der Transformationsfähigkeit der Unter nehmen der Kompetenzaufbau der Beschäftigten ist. Um den Anforderungen der Arbeitswelt von morgen gerecht zu werden, sind große Anstrengungen bei der Qualifizierung der Arbeitnehmer notwendig. So gibt es seit Anfang August 2024 in der Volkshochschule Sömmerda ein Netz werk-Büro für Qualifikation, Transfer und Information, ein so genannter QTI-Knoten, als Raum für zielgerichtete Weiterbildungsangebote.

Die Fachkräftesicherung hat für den Landkreis Sömmerda höchste Priorität. Nur mit einer breit aufgestellten Wirtschaft und einer hohen Ausbildungsbereitschaft können wir als attraktiver Wirtschaftsstandort und Lebensort wahrgenommen werden.

Durch den demografischen Wandel und die verstärkte Abwanderung junger Menschen fehlt es jedoch zunehmend an Fachkräften.

Wir kümmern uns deshalb fachübergreifend intensiv um den Übergang Schule-Wirtschaft, bieten mit der jährlichen Berufsinfobörse oder der Praktikums- und Ausbildungsbörse verschiedene Vernetzungsformate an. Mit dem Unternehmensnetzwerkabend, einem Wissensaustausch an wechselnden Orten, bieten wir eine branchenübergreifende Plattform zur Netzwerkpflege.

Indem wir den Wandel gemeinsam mit den Unternehmen gestalten, kann es uns gelingen, den Wirtschaftsstandort zu erhalten, ihn zu stärken und langfristig tausende Arbeitsplätze zu sichern.

Sie haben die Wirtschaftsgeschichte bereits angesprochen: Das in Sömmerda erfundene Zündnadelgewehr ist ebenso in der Versenkung verschwunden, wie die Büromaschinen-Herstellung, die einst die ganze Region prägte. Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass Ihr Landkreis auch die aktuellen Krisen bewältigen kann?

Von Beginn an ist die Sömmerdaer Industriegeschichte von gravierenden Umbrüchen und Herausforderungen geprägt. Diese Erfahrungen werden den Wirtschaftsstandort auch in die Zukunft tragen. Denn: Wir können Transformation!

Immer gab es hier kreative Menschen, die die technischen wie politischen Umbrüche nicht nur meisterten, sondern sie als Chance nutzten, um mit Erfindergeist und unternehmerischem Mut die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Die wirtschaftliche Grundlage der Region ging nicht verloren, weil wir unsere Stärken im Bereich Metallverarbeitung, Feinmechanik, Maschinen- und Werkzeugbau nie aus dem Blick verloren haben. So wurden nach der Abwicklung des Büromaschinenwerks unzählige Werkzeugmacher, Feinmechaniker und Ingenieure zum Impulsgeber für die wirtschaftliche Entwicklung in den Nachwendejahren.

Vor diesem Hintergrund bin ich überzeugt, dass die aktuellen Krisen und Herausforderungen erneut auf innovationsfreudige Menschen treffen, die Verantwortung übernehmen, eigene Unternehmen gründen, sich auf ihre Kompetenzen besinnen und gleichzeitig neue Wege gehen. Diese Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, liegt in unserer DNA.

Fernöstliches Flair im Herzen Thüringens: der chinesische Garten in Weißensee | Foto: ©Henry Czauderna - stock.adobe.com

Fernöstliches Flair im Herzen Thüringens: der chinesische Garten in Weißensee | Foto: ©Henry Czauderna – stock.adobe.com

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Frage. Als Mensch, der tief in der Region verwurzelt ist: Was sind Ihre persönlichen Highlights im Landkreis? Was zeigen Sie Ihren Gästen? Oder ganz hemdsärmelig gefragt: Warum und wo sollte man auch einmal von der Autobahn abfahren?

Vieles spricht dafür: Wir haben viele landschaftlich und historisch interessante Punkte in unserer Region, zum Beispiel die Unstrut- und Geraaue, die sogenannten Erfurter Seen, das Alperstedter Ried, die Hohe Schrecke, die Burg Weißensee, Schloss Beichlingen, der Camposanto in Buttstädt und natürlich die Steinrinne in Bilzingsleben. Nicht zu vergessen der Fürstenhügel von Leubingen, die Stadt Weißensee mit dem ältesten deutschen Reinheitsgebot für Bier von 1434, dem chinesischen Garten und einem der ältesten Rathäuser Deutschlands, unsere Kreisstadt Sömmerda mit ihrer Historie und den zahlreichen musealen Einrichtungen und versteckte Kleinode wie der Renaissancegarten und das Schloss Kannawurf.

Unsere landschaftlich reizvollen Nah er holungsgebiete laden zum Entspannen ein, das neue Camp & Bike-Konzept legt den Fokus auf unser gut ausgebautes Radwegenetz und in den Sommermonaten sind die unzähligen Freibäder im Kreisgebiet wahre Besuchermagnete. Dankbar bin ich für die engagierten Partner an unserer Seite, wie den Tourismusverband „Thüringer Becken“, mit denen wir regional und überregional für einen Besuch im Landkreis werben. (tl)

Weitere Informationen: www.lra-soemmerda.de

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