Lesedauer: 3 Minuten
Wenn der Abschied zum Neuanfang wird
Offboarding in der modernen Arbeitswelt
In einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt rasant wandelt und Karrieren immer seltener einer geradlinigen Laufbahn folgen, ist der Abschied aus einem Unternehmen längst keine Ausnahme mehr, sondern ein regelmäßiger Bestandteil des Berufslebens. Umso wichtiger wird ein professionelles Offboarding – der strukturierte Prozess, mit dem Mitarbeitende ein Unternehmen verlassen. Dabei geht es um mehr als nur das Zurückgeben des Laptops oder das Löschen des E-Mail-Kontos, weiß Wolfgang Struensee, Experte in Sachen Führungskräfteentwicklung und Mitarbeiterführung.
Foto: YASIN – stock.adobe.com
Die Gründe, warum Unternehmen und Mitarbeitende getrennte Wege gehen, sind vielfältig – und längst nicht immer konfliktbehaftet. Da gibt es den klassischen Karriereschritt: Eine Führungskraft verlässt das Unternehmen, um in einer neuen Position größere Verantwortung zu übernehmen. Ebenso kommt es vor, dass sich die persönlichen Lebensumstände verändern, sei es durch einen Umzug, eine Familiengründung oder die Entscheidung, sich ganz neu zu orientieren. Und nicht zuletzt kann der Abschied auch der Abschied aus dem Berufsleben sein.
Manchmal sind es aber auch strukturelle Gründe. Wenn etwa in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Abteilungen verkleinert oder Geschäftsbereiche geschlossen werden müssen. Oder die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitendem und Unternehmen verläuft nicht (mehr) so, wie beide Seiten es sich vorgestellt haben. In all diesen Fällen kann ein gut gestalteter Offboarding-Prozess Brücken bauen, statt sie abzureißen.
Anfang und Ende
Wolfgang Struensee plädiert dafür, sich schon beim Onboarding über das Offboarding Gedanken zu machen. „Das Ende schon am Anfang mitdenken, ohne es zu wollen“, nennt Struensee das. Will heißen: Wer sich nicht von Anfang an willkommen fühlt, könnte schnell die Überlegung anstellen, doch nicht die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Dann kommt das Offboarding schneller, als man denkt.
Was passiert beim Offboarding?
Ein erfolgreiches Offboarding umfasst administrative Aufgaben wie die Klärung des letzten Arbeitstags, die Abwicklung von Urlaubsansprüchen und die Rückgabe von Arbeitsmaterialien. Ebenso wichtig ist die sozio-emotionale Komponente: Ein Abschiedsgespräch, eine Verabschiedungsfeier oder ein persönliches Dankeschön schaffen einen positiven letzten Eindruck. Exit-Gespräche bieten zudem die Chance, offen über Trennungsmotive und unerfüllte Erwartungen zu sprechen – ein wertvolles Feedback für das Unternehmen.
WIRTSCHAFTSSPIEGEL-Experte Wolfgang Struensee
Abschied mit Augenmaß
„Ein wertschätzendes Offboarding beginnt mit Kommunikation auf Augenhöhe. Ein klärendes Abschlussgespräch kann dabei helfen, Missverständnisse auszuräumen, konstruktives Feedback einzuholen und Entwicklungspotenziale für das Unternehmen aufzudecken“, so Struensee. „Denn wer das Unternehmen verlässt, hat oft einen klaren Blick auf Prozesse, die von innen vielleicht übersehen werden.“
Darüber hinaus kann ein offenes und professionelles Offboarding das Unternehmensimage stärken – insbesondere in Zeiten von Arbeitgeberbewertungsportalen und sozialen Netzwerken. Wer positiv über seinen ehemaligen Arbeitgeber spricht, wird schnell zum Markenbotschafter – auch über das Arbeitsverhältnis hinaus.
Vertrauen statt verbrannter Erde
Dieser Aspekt ist für Struensee wichtig: „Eine einvernehmliche Trennung öffnet Türen: für eine spätere Rückkehr ins Unternehmen, für Empfehlungen im eigenen Netzwerk oder sogar für gemeinsame Projekte in der Zukunft.“ Sogenannte „Boomerang-Mitarbeitende“, also Rückkehrer, seien heute kein seltenes Phänomen mehr. „Sie bringen oft neue Impulse mit, ohne langwierige Einarbeitungszeit zu benötigen“, erklärt der Managementexperte.
Aber welche Wirkung hat ein gelungener Offboarding-Prozess auf den Rest der Belegschaft? „Ein wertschätzender Abschied sorgt dafür, dass sich die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen nicht verunsichert fühlen. Sie erleben, dass das Unternehmen auch in schwierigen Situationen fair und transparent handelt.“ Das stärke die interne Kultur und das Vertrauen in die Unternehmensführung.
Offboarding ist mehr als ein letzter Akt. Es ist der Schlussakkord, der lange nachklingen kann, ist Struensee überzeugt. Unternehmen, die diesen Prozess aktiv und empathisch gestalten, investieren in ihr Netzwerk, in ihre Reputation und nicht zuletzt in den Respekt gegenüber den Menschen, die ein Stück ihres Weges mitgegangen sind. Ein Abschied in Würde kann der Anfang einer neuen, konstruktiven Verbindung sein, außerhalb der Grenzen eines festen Arbeitsvertrags. (tl)
