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Auf dem Weg zur globalen Spitze in der Quantentechnologie
Quantensprung für Thüringen und Deutschland
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat jüngst ihr Jahresgutachten vorgelegt und dabei ein Thema von immenser Bedeutung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den Fokus gerückt: Quantentechnologien. Von revolutionären Quantencomputern über hochpräzise Sensoren bis hin zu abhörsicheren Kommunikationssystemen – das Potenzial dieser Schlüsseltechnologien ist enorm. Thüringen, mit seiner starken Forschungslandschaft und innovativen Unternehmen, könnte von dieser Entwicklung maßgeblich profitieren und sich als wichtiger Standort in diesem Zukunftsfeld etablieren.

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Das Jahr 2025 wurde von den Vereinten Nationen zum Jahr der Quantenwissenschaft und Quantentechnologien erklärt – ein deutliches Signal für die globale Bedeutung dieser Materie. „Das Quantenjahr 2025 ist ein wichtiges Zeichen, denn Quantentechnologien gelten als Schlüsseltechnologien der Zukunft“, betont Prof. Irene Bertschek, Leiterin des Forschungsbereichs „Digitale Ökonomie“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim und stellvertretende Vorsitzende der EFI.
Neben der immensen Steigerung der Rechenleistung durch Quantencomputer eröffnen sich Anwendungsfelder in der hochsicheren Kommunikation, der autonomen Navigation und der medizinischen Diagnostik.
Thüringen verfügt in verschiedenen Bereichen bereits über eine exzellente Forschungsbasis und innovative Unternehmen, die Anknüpfungspunkte für die Quantentechnologie bieten. Universitäten und Forschungseinrichtungen in Jena, Ilmenau und Erfurt leisten in der Grundlagenforschung wichtige Beiträge, während innovative Mittelständler in angrenzenden Technologiebereichen wie der Optik, Präzisionsmechanik und Softwareentwicklung wertvolles Know-how einbringen können.
„Viele Anwendungen der Quantentechnologien, wie universell einsetzbare Quantencomputer, sind aktuell noch weit von der Marktreife entfernt. Dies eröffnet Deutschland die Chance, die weiteren Entwicklungen mitzugestalten und Quantentechnologien maßgeblich voranzutreiben“, erklärt Prof. Bertschek. „Denn dank exzellenter Grundlagenforschung und einer starken Tradition in der Quantenphysik hat Deutschland hierfür eine hervorragende Ausgangsposition.“ Diese exzellente Ausgangslage gilt es nun auch in Thüringen zu nutzen, um Synergien zwischen Forschung und Wirtschaft zu schaffen und den Freistaat als attraktiven Standort für Unternehmen und Talente im Bereich der Quantentechnologie zu positionieren.
Europäische Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg
Im globalen Wettrennen um die Vorherrschaft in der Quantentechnologie spielen die USA und China derzeit eine dominierende Rolle. Insbesondere Chinas rasante Aufholjagd in den letzten zwei Jahrzehnten ist bemerkenswert. „Als einzelner Akteur hat es Deutschland im internationalen Wettbewerb beim Quantencomputing schwer“, mahnt Carolin Häussler, Professorin an der Universität Passau und Mitglied der EFI. „Eine enge Zusammenarbeit und Bündelung der Kräfte innerhalb der EU ist daher essenziell, um beispielsweise ein ‚Quantum Computing Made in Europe‘ perspektivisch zu ermöglichen. Hierzu gilt es, ein starkes europäisches Innovationsökosystem zu schaffen, in dem sich Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Investoren grenzüberschreitend vernetzen und ihre Aktivitäten koordinieren.“
Für Thüringen bedeutet dies, aktiv die europäische Zusammenarbeit zu suchen und sich in entsprechende Netzwerke einzubringen. Regionale Stärken und Kompetenzen können so in größere europäische Projekte eingebracht werden, um gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln und im globalen Wettbewerb zu bestehen.
Forschungsergebnisse in die Anwendung bringen
Während die Grundlagenforschung in Deutschland exzellent ist, hapert es oft am Transfer von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte und Dienstleistungen. Dies zeigt sich auch im Bereich der Quantencomputer, wo von den weltweit knapp 1.800 Patentanmeldungen der letzten zwei Jahrzehnte nur gut 70 aus Deutschland stammen.
„Die exzellente Forschung in Deutschland allein reicht nicht, um langfristig eine Spitzenposition im globalen Wettbewerb zu sichern“, warnt Prof. Bertschek. „Deutschland hat zu oft schon bahnbrechende Ideen entwickelt, die später anderswo zur Marktreife gebracht wurden“, ergänzt Prof. Uwe Cantner, EFI-Vorsitzender und Professor der Universität Jena.
Um dies im Bereich der Quantentechnologien zu verhindern, muss der Fokus verstärkt auf den Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft gelegt werden. Die EFI fordert konkrete Maßnahmen wie die Unterstützung von Gründern aus der Forschung, verbesserte Finanzierungsbedingungen für Start-ups und staatliche Ankerkundenverträge für zentrale Großprojekte. Für Thüringen bedeutet dies, ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen, das die Gründung von Technologieunternehmen im Bereich der Quantentechnologie fördert und den Austausch zwischen Forschung und Wirtschaft intensiviert.
Verlässliche Politik als Fundament für den Erfolg
Die Quantenforschung ist komplex, kostspielig und erfordert einen langen Atem. Politische Unterstützung und Planungssicherheit sind daher unerlässlich, um zukunftsweisende Projekte erfolgreich voranzutreiben. „Die EFI empfiehlt der neuen Bundesregierung, mit einer nationalen Quantenstrategie einen kohärenten Rahmen für die Weiterentwicklung von Quantentechnologien zu schaffen“, so Prof. Häussler.
Eine solche Strategie sollte langfristig ausgerichtete und flexible Technologie-Roadmaps, den gezielten Ausbau regionaler Innovationscluster mit klaren Forschungsschwerpunkten, einen einfachen Zugang zu modernster Forschungsinfrastruktur sowie den Aufbau einer Quanten-Benchmarking-Plattform umfassen. Zudem ist die gezielte Förderung von Kompetenzen im Bereich der Quantentechnologien und die Verbesserung der Standortattraktivität für internationale Spitzenforscherinnen und -forscher entscheidend, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Für Thüringen bedeutet dies, sich aktiv in die Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Quantenstrategie einzubringen und die eigenen regionalen Stärken und Bedürfnisse zu vertreten. Durch gezielte Investitionen in Forschungsinfrastruktur, die Förderung von Aus- und Weiterbildung im Bereich der Quantentechnologie und die Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen für Unternehmen kann sich Thüringen als ein wichtiger Baustein in der deutschen Quantenlandschaft positionieren.
Auch wenn der genaue Zeitpunkt der Marktreife revolutionärer Quantentechnologien noch ungewiss ist, so ist das Potenzial für bahnbrechende Innovationen unbestreitbar. Thüringen und Deutschland haben die Chance, eine globale Spitzenposition in dieser Schlüsseltechnologie der Zukunft einzunehmen. Es gilt nun, die hervorragende Ausgangslage zu nutzen, die europäische Zusammenarbeit zu stärken, den Transfer von Forschungsergebnissen zu forcieren und mit einer verlässlichen Politik die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft der Quantentechnologie zu stellen. Die neue Bundesregierung sollte diese Chance nicht verpassen – und Thüringen sollte bereit sein, seinen Beitrag zu leisten. (tl)