Lesedauer: 5 Minuten
Der Zusammenhalt im Wartburgkreis ist seine Stärke
Landrat Reinhard Krebs im WIRTSCHAFTSSPIEGEL-Interview
Bei den kommenden Kommunalwahlen Ende Mai werden nicht nur die Gemeinderäte und Kreistage gewählt, sondern auch die meisten Stadtoberhäupter und Landräte. Für manche der derzeitigen Amtsinhaber ist danach Schluss – sie treten altersbedingt in den Ruhestand. Einer von ihnen ist der Landrat des Wartburgkreises Reinhard Krebs, der das Amt seit 2006 innehat. Wie blickt er auf seine Amtszeit? Wo hat der Wartburgkreis seine Stärken und welche Eigenschaften muss man als Landrat haben?
Reinhard Krebs, Landrat des Wartburgkreises | Foto: Sandra Blume
Herr Krebs, Sie treten mit der kommenden Landratswahl in den Ruhestand. Seit 2006 haben Sie dem Wartburgkreis als Landrat vorgestanden – wohlgemerkt bei zwei Wiederwahlen immer mit absoluter Mehrheit. Wie fällt Ihre ganz persönliche politische Bilanz aus?
Es war für mich sehr interessant und spannend, mit einer so großen, engagierten Verwaltung zu agieren – das Landratsamt hat knapp 900 Mitarbeiter – und ich bin schon ein bisschen stolz darauf, dass wir es geschafft haben, in all den Jahren immer einen gesunden Haushalt zu beschließen und umzusetzen. Die Stärke des Wartburgkreises wird dabei vor allem sichtbar in sehr guten Schulen und Straßen: Wir haben heute beispielsweise in Thüringen das dichteste Schulnetz mit den meisten Schulstandorten und dafür habe ich mich ebenso stark gemacht, wie für die Kultur auf allen Ebenen – vom UNESCO-Welterbe Wartburg über die vielen staatlichen und nichtstaatlichen Kultureinrichtungen bis hin zu den aktiven Ehrenamtlichen im ländlichen Raum – nicht umsonst habe ich das Kulturmanagement für den Landkreis bei mir im Büro Landrat etabliert.
Und nach der lange und intensiv vorbereiteten und schließlich erfolgreichen Einkreisung der Stadt Eisenach können wir mit Recht konstatieren, dass der Wartburgkreis der stärkste Landkreis in Thüringen ist.
Blick über Eisenach zur Namensgeberin des Landkreises | Foto: Aquarius – stock.adobe.com
Betrachten wir den Wartburgkreis aus wirtschaftlicher Sicht. Wo liegen seine Stärken?
Der Wartburgkreis ist traditionell durch starke industrielle Wirtschaftszweige gekennzeichnet: Der Kalibergbau, die Automobilproduktion und -zulieferindustrie, der Werkzeug-, Maschinen- und Sondermaschinenbau sowie die Herstellung von Metallerzeugnissen und die Metallverarbeitung.
Wir können auf ein dynamisches Wachstum in den vergangenen 20 Jahren zurückblicken, ablesbar an der Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung sowie den Investitionen im produzierenden Gewerbe.
Der Wartburgkreis ist mit Abstand Thüringens stärkster Industriestandort und belegt auch im deutschlandweiten Vergleich immer wieder einen Spitzenplatz bei den Investitionen im verarbeitenden Gewerbe und neuerdings auch bei dem Anteil erneuerbarer Energien im verarbeitenden Gewerbe.
Außerdem kennzeichnet den Wirtschaftsstandort eine breit aufgestellte mittelständische Wirtschaftsstruktur. Wir haben eine der höchsten Beschäftigungsquoten in Deutschland, einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Fachkräften mit einem Facharbeiter- oder Hochschulabschluss und dazu liegen wir superzentral mit hervorragender infrastruktureller Anbindung durch die A4, durch das zukünftige Autobahndreieck A4/A44 sowie den ICE-Bahnhof in Eisenach.
Zwischenfrage zur Automobil- und Zulieferindustrie, also einer Industrie, die die Transformation in Reinkultur erlebt. Wie viele schlaflose Nächte hat Ihnen das bereitet?
Die Transformation als solche ist weniger ein Problem. Diese wird durch die Unternehmen strategisch wie technologisch gemeistert. Das Problem sind vielmehr die globalen wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den Automobilherstellern und den Zulieferunternehmen. Das führte auch bei uns in der Region zu einer Reihe von Betriebsschließungen, allerdings ohne negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, der auf Grund der hohen Beschäftigungsquote, der geringen Arbeitslosigkeit und der zunehmend älteren Belegschaften einen großen Bedarf an ausgebildeten erfahrenen Fachkräften hat.
Opel-Werk in Eisenach | Foto: LRA WAK
Die Transformation ist innerhalb der Unternehmen in vollem Gang: so wird Opel in Eisenach ab 2028 nur noch vollelektrische Autos bauen, aber auch die Zulieferunternehmen stellen sich mit unterschiedlichen Strategien und Investitionen in mehrstelliger Millionenhöhe, auf neue Märkte und Wettbewerber ein, bringen neue Werkstoffe und Komponenten zum Einsatz und optimieren Bestehendes.
Außerdem haben sich betroffene Unternehmen auf neue Zielmärkte außerhalb der Automobilindustrie orientiert. Eine Transformation birgt natürlich Risiken, aber ich erkenne, dass viele unserer Unternehmen sie auch als Chance verstehen.
Da sind wir schon mitten im Thema Risiken. Worauf muss Ihr Amtsnachfolger oder -nachfolgerin besonders achten, damit der Kreis so erfolgreich bleibt?
Ein Nachfolger muss die Nähe zur Wirtschaft und zu den Ver – bänden suchen und mit ihnen gemeinsam Lösungen entwickeln, beispielsweise wie dem Fachkräftemangel begegnet werden kann. Der Zusammenhalt im Wartburgkreis ist seine Stärke – mir war es als Landrat immer ganz wichtig, bei den Menschen zu sein, Veranstaltungen der Vereine, der Städte und Gemeinden zu besuchen und zu zeigen, dass ich mich für alles interessiere, was im Landkreis passiert.
Kommen wir zurück auf Ihr politisches Wirken. Die Rückkreisung der Stadt Eisenach war Ihnen ein persönliches Anliegen, das Sie behutsam, aber beharrlich verfolgt haben. Warum eigentlich?
Man kann zunächst festhalten, dass der Wartburgkreis über viele Jahre immer die Zusammenarbeit mit der Stadt Eisenach gesucht und gepflegt hat. Es wurde zugleich deutlich, dass Eisenach mit den umfangreichen Aufgaben einer kreisfreien Stadt finanziell überfordert war. So reifte der Gedanke zusammenzugehen, zumal gemeinsame Strukturen ja bereits in der Region etabliert waren, zum Beispiel die erfolgreiche Wartburg-Sparkasse oder das Netzwerk Wirtschaftsförderung mit den Regionalstellen der IHK Erfurt und der Thüringer Aufbaubank in Eisenach, der Handwerkskammer Südwestthüringen, der Agentur für Arbeit sowie das Jobcenter und viele andere.
Seit 1. Juli 2021 gehört die Stadt wieder zum Wartburgkreis. Ist die Fusion aus Ihrer Sicht gelungen?
Ja, sie ist gelungen und das ist gut für die Region, weil zusammenwächst, was schon immer zueinander gehört hat und weil wir gemeinsam die Region noch besser voranbringen können. Eisenach hat die Rückkreisung den dringend benötigten finanziellen Spielraum verschafft und von einer potenten Stadt Eisenach profitiert Region ebenso wie von der agilen Kreisstadt Bad Salzungen und dem bei uns sehr starken ländlichen Raum.
Wirtschaft einerseits – Weltnaturerbe mit dem Hainich andererseits. Wir haben die Wartburg als Namensstifterin, die Werra als Paradies für Paddler und dann noch den Rennsteig, der im Wartburgkreis beginnt. Aber das allein reicht nicht, um dringend benötigte Arbeitskräfte in den Wartburgkreis zu locken. Womit können Sie besonders punkten?
Da wäre zuallererst die soziale Infrastruktur zu nennen: Bei uns ist ein Kindergartenplatz in der Regel kein Problem und auch bei der Tagesbetreuung von Kindern unter 14 Jahren oder beim Anteil an Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen sind wir überdurchschnittlich gut unterwegs. Wir haben mit zwei Krankenhäusern und den daran angebundenen Medizinischen Versorgungszentren eine sehr gute Gesundheitsversorgung – die Anzahl verfügbarer Betten ist im deutschlandweiten Vergleich auch überdurchschnittlich hoch. Zudem wir können auf zwei hervorragende Berufsschulstandorte in Eisenach und Bad Salzungen sowie unsere Duale Hochschule verweisen. Zusammen mit den vielen kulturellen Angeboten und unserer fantastisch schönen Naturlandschaft ist das ein echt tolles Gesamtpaket.
Und was schätzen Sie persönlich besonders an Ihrem Landkreis? Was zeigen Sie Ihren privaten Gästen?
Mit Gästen gehe ich natürlich zuallererst auf die Wartburg. Ansonsten versuche ich Besuchern immer die Vielfalt unserer wunderschönen Landschaft zwischen dem Nationalpark Hainich, Naturpark Thüringer Wald, dem Werratal und dem Biosphärenreservat Rhön näher zu bringen. Das ist eine tolle landschaftliche Vielfalt – die ganz nah beieinander liegt.
Gestatten Sie mir noch eine letzte sehr persönliche Frage, Herr Krebs. Ich stelle es mir schwer vor, dass ein Mensch, der in seinem Berufsleben bis zum letzten Tag hundert Prozent und mehr gegeben hat, plötzlich auf fast null herunterfahren muss und will. Wie wird der Pensionär Reinhard Krebs seinen Ruhestand angehen?
Auf null werde ich wohl eher nicht herunterfahren. Im Gegenteil: Ich will mich mehr bewegen, vor allem mit dem Fahrrad in der Natur, ich werde mich meiner Familie widmen und im Ehrenamt sicher auch die eine oder andere Aufgabe übernehmen.
Interview: Torsten Laudien
Mitarbeit: Mirko Klich