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Der (Quanten-)Schlüssel zur Zukunft

Thüringen wird zunehmend zu einem Knotenpunkt der euro­pä­ischen Quantenforschung. Doch um Forschungser­geb­nisse langfristig zu sichern und nutzbar zu machen, braucht es noch mehr politischen Willen. Ein Beitrag von Prof. Dr. An­dreas Tünnermann.

Quantenforschung: Quelle zur Erzeugung verschränkter Photonen

Eine Quelle zur Erzeugung verschränkter Photonen erlaubt unter anderem die sichere Quantenkommunikation per Sa­tellitennetzwerk | Fraunhofer IOF 

Bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wurden die Grundlagen für die Quantenphysik gelegt. Danach brauchte es knapp 50 Jahre, um ers­te Anwendungen wie den Laser hervor­zu­bringen. Aus dieser soge­nann­ten „ersten Quantenrevolution“ ging die Photonik als eine wesent­liche Schlüs­seltechnologie hervor, um aktuellen und anstehenden He­raus­forderungen der Menschheit zu begegnen.

Quantenforschung in Jena

Der Standort Jena hat die Ent­wick­lung dieses wichtigen Zukunfts­fel­des seither maßgeblich mitgeprägt: In der Thüringer Industrie finden sich heute 15.000 Arbeitsplätze mit Bezug zur Photonik. Da­rüber hinaus treiben Hochschulen und außer­universitäre Forschungseinrichtungen weitere Fort­schritte voran. Und das mit Erfolg: Seit der ersten Quantenrevolution sind erneut 50 Jahre ver­gangen – und wir sind einen gro­ßen Schritt wei­ter.

An der Schwelle zur zweiten Quantenrevolution

Heute können wir einzelne Quanten kontrollieren und stehen damit an der Schwelle zur mittlerweile zwei­ten Quanten­revolution. Die Photonik ist hierbei ein wichtiger Enabler: Zahlreiche Einrichtungen in Thüringen befassen sich mit vielfältigen Aspekten der zweiten Quantenre­volution auf der Grundlage ihrer aus­ge­wählten Kompetenz in der Photonik. Netzwer­ke wie der „Quantum Hub Thüringen“ bündeln dabei das mannigfaltige Wissen und schaffen Sy­nergien zwischen Forschung, Industrie und Wissenschaft. Gemeinschaftlich wird hier der Mehrwert der Quanten für die Bereiche Compu­ting, Bildgebung und Kommunikation unter­sucht.

Quanten in der IT-Sicherheit

Insbesondere in der IT-Sicherheit der Zukunft sind die Quanten stark gefragt. Denn unsere Welt ist hochvernetzt und deswegen in besonderem Maße anfällig für Cyber­an­griffe. Attacken auf kritische Infrastruk­turen wie Energienetze und sicherheitskritische Behörden können nicht nur sensible Daten, son­dern potenziell sogar Leben gefährden. Die Quan­tentechnologien halten hier, im wahrsten Sinne des Wortes, den Schlüssel zur Zukunft für uns bereit. Denn mithilfe von miteinander ver­schränk­ten Lichtteilchen lassen sich sensible In­formationen in Zukunft physi­kalisch nachweis­lich und praktisch abhörsicher verschlüsselt über­tragen.

Thüringen wird zunehmend Kno­tenpunkt der europäischen Quan­ten­forschung

Auch die Bundesregierung hat längst erkannt, dass es Zeit ist zu handeln – und vertraut bei der Entwicklung von Systemen zur quantenge­si­cher­ten Kom­mu­nikation auf das Know-how und den innovativen Ideenreichtum der Forschenden aus Jena. Unter Leitung des Fraunhofer IOF wird hier etwa die Initiative QuNET, ein vom Bundes­ministerium für Bildung und For­schung mit 125 Millionen Euro gefördertes Pilotprojekt zur Erfor­schung der Quan­ten­kom­munikation für den Einsatz in Behörden, vorangetrieben. Weitere Forschungs­projekte unter Förderung der Euro­päischen Union greifen nach den Sternen und widmen sich dem Austausch von Quanten­schlüs­seln via Sa­tel­liten, um langfristig auch europäische Kommu­nikationsnetze gegen An­griffe von außen schützen zu können. Um die Forschung in dieser Richtung weiter auszu­bau­en, wird das neuste Forschungsgebäude des Fraunhofer Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF sogar über eine op­ti­sche Bo­den­sta­tion verfügen, gefördert vom Land Thü­ringen. Mit diesen und weiteren Investitionen setzt die Politik immer wieder wichtige Impulse, die nicht nur der enormen Bedeutung der Quan­tentech­nologien Tri­but zollen, sondern auch dem Zukunftscharakter des Wissenschafts­stand­ortes Thüringen.

Prof. Dr. Andreas Tünnermann
Prof. Dr. Andreas Tünnermann

Andreas Tünnermann leitet seit 2003 das Fraunhofer In­sti­tut für Angewandte Optik und Fein­mechanik IOF in Jena und ist seit 2009 Mitglied des Direktoriums des Helmholtz-Instituts Jena und des Abbe Centers of Photonics. | Foto: Fraunhofer IOF

Jenaer Forschende erzielen Rekord­werte in der Quantenkom­muni­ka­tion

Mit ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit er­zielen Forschende aus Jena dabei immer wie­der Rekordwerte: Auf einer Teststrecke zwischen dem Fraunhofer-Institut auf dem Beuten­berg und den Stadtwerken Jena wurden über eine Dis­tanz von 1,7 Kilometern Luftlinie bereits er­folgreich Quantenschlüssel mit Schlüssel­ge­nerierungsraten im Bereich von mehreren Kilo­bit pro Sekunde ausgetauscht. Für den Austausch eines Quantenschlüssels via Freistrahl in­ner­halb eines urbanen Gebiets gehört diese Generie­rungs­rate weltweit zu den höchsten. Sie würde aus­reichen, um ein Telefonat innerhalb einer Stadt problemlos hochsicher zu ver­schlüs­seln.

Noch größere Distanzen überbrückten Wissen­schaft­lerinnen und Wissenschaftler im ver­gan­genen Jahr als erstmals erfolgreich Quanten­schlüs­sel via Glasfaser über eine Strecke von 75 Kilometern zwischen Jena und Erfurt ausge­tauscht wurden. Der Clou dabei: Die Übertra­gung erfolgte über konventionelle Telekommu­ni­ka­tions­glas­faser. Ein weiterer Ausbau der Test­stre­cke ist um Netzwerkpunkte in Nordhausen, Dresden, Erlangen, Frankfurt und München ge­plant.

Gemeinsam die technologische Sou­veränität Europas stärken

Kurzum: Forschende an Thüringer Hochschulen und außeruniversitären Forschungsein­rich­tun­gen sind maßgeblich daran beteiligt, die zweite Quantenrevolution mit­zugestalten. Aus­grün­dun­gen wie etwa die Quantum Optics Jena GmbH, ein Spinoff des Fraunhofer IOF, tragen weiterhin dazu bei, Forschung vom Labor raus in die re­ale An­wendung zu überführen (siehe Beitrag Seite 12).

Doch ohne weiteren politischen Willen und ein ge­meinsames Engagement von Wissenschaft und Wirtschaft geht es nicht. Der Paradig­men­wechsel hin zu den Quan­tentechnologien bietet dabei auch für uns als Gesellschaft, speziell als europäische Gemeinschaft, eine Chance für ein stär­keres Zusammenwachsen.

Durch eine aktivere europäische Indus­trie­politik kann es uns gelingen, uns als Wirtschaft und Gesellschaft global zu eman­zipieren.

Denn tatsächlich nützt es uns wenig, Methoden zur hochsicheren Verschlüsselung in Europa zu erforschen, wenn Bauteile für elektronische Geräte wie Computer und Smartphones nach wie vor im außereuropäischen Ausland einge­kauft werden müssen. Wir können noch so ef­fek­tiv verschlüsseln, jedoch wird jede hochsichere Kryptographie kompromittiert, wenn sich in jeder Computerhardware ein Hintertürchen versteckt. IT-Sicherheit ist eine europäische Auf­gabe, für die wir gemeinsame Verantwortung überneh­men müssen. Die Quantentechnologien bieten uns hier den Startschuss für ein neues Zeitalter – tech­nologisch wie auch gesellschaft­lich. (at)

Quantenforschung in Thüringen: Das sind die Akteure

  • Abbe Center of Photonics an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
  • Technische Universität Ilmenau
  • DLR-Institut für Datenwissenschaften Jena
  • Helmholtz-Institut Jena
  • Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT) Jena
  • Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF Jena
  • Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT Ilmenau
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung Ilmenau
    Institutsteil für angewandte Systemtechnik (IOSB-AST)
  • IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik- Systeme gemeinnützige GmbH (IMMS GmbH)
  • Fraunhofer-Projektzentrum für Mikroelektronische und Optische Systeme für die Biomedizin Erfurt
  • CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik GmbH Erfurt
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