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Quantum Optics Jena GmbH
Mitgestalter und Pioniere der zweiten Quantenrevolution
Wenn es um bahnbrechende Zukunftstechnologien geht, ist immer mal wieder von Quantentechnologien die Rede. Wenn die letzte Physikstunde dann auch noch schon ein paar Tage her ist, bleibt den interessierten Laien nur noch ein Stirnrunzeln. Lassen wir es uns also erklären. Und zwar von einem, der zu den wichtigsten Akteuren in Sachen Quantentechnologien gehört. Dr. Kevin Füchsel ist Geschäftsführer der Quantum Optics Jena GmbH. Im Interview mit dem WIRTSCHAFTSSPIEGEL gibt er einen Überblick zum Thema Quantentechnologien.
Vollautomatische Fertigung einer verschränkten Photonenpaarquelle | Foto: Quantum Optics Jena GmbH
Was sind Quanten?
Die Welt ist eine Quantenwelt. Soll heißen: Alles besteht aus Quanten, sofern man hinreichend kleine Systeme anschaut. Denn Quanten sind die kleinsten und unteilbare Einheiten, die physikalische Wechselwirkungen hervorrufen. Indem sie ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen, weisen Quanten Eigenschaften auf, die größere physikalische Systeme nicht haben. Diese besonderen Eigenschaften machen Forscherinnen und Forscher in verschiedensten Anwendungsfeldern nutzbar.
(Quelle: Fraunhofer IOF)
Fangen wir mal ganz von vorn an, Herr Dr. Füchsel. Was sind Quantentechnologien?
Eine fundamentale Hypothese zum Verständnis der Physik auf atomarer Ebene wurde im Jahr 1900 von Max Planck aufgestellt. Diese besagt, dass die Absorption und die Emission, also das Abstrahlen von Licht durch Atome nur mit definierten Portionen (Quanten) beziehungsweise Energien erfolgen kann. In den Naturwissenschaften beschreibt ein Quant also abstrakt gesprochen ein Objekt oder ein Teilchen mit einem diskreten Wert einer physikalischen Größe. In den darauffolgenden Jahren führten die Arbeiten von Planck und weiteren WissenschaftlerInnen zu einem völlig neuen Zweig der Physik, welcher heute als Quantenmechanik bezeichnet wird.
Interessant ist dabei, dass im atomaren Bereich Phänomene beobachtet und beschrieben wurden, welche nur schwer mit unseren Alltagserfahrungen vereinbar sind. So konnte Werner Heisenberg zeigen, dass es nicht möglich ist, die Position und den Impuls eines Teilchens gleichzeitig exakt zu messen. Noch spukhafter wurde die Quantenphysik durch grundlegende Arbeiten von Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen, welche 1935 das Prinzip der Quantenverschränkung beschrieben. Dabei sind zwei Teilchen so miteinander verbunden, dass sie sich gegenseitig beeinflussen, unabhängig von der Entfernung zwischen ihnen.
Dr. Kevin Füchsel
Die theoretischen Arbeiten des 19. Jahrhunderts bildeten die Grundlage für eine Vielzahl von Experimenten und Untersuchungen. Neben Nobelpreisen für Max Planck, Albert Einstein, Werner Heisenberg oder Erwin Schrödinger für ihre theoretischen Arbeiten Anfang des 19. Jahrhunderts wurden erst im vergangenen Jahr die Physiker Alain Aspekt, John Clauser und Anton Zeilinger für ihre Experimente mit verschränkten Photonen und Quanteninformationswissenschaften ausgezeichnet.
Die Quantentechnologien – sprich die Nutzung von physikalischen Effekten und Gesetzen auf atomarer Ebene – ist in den vergangenen Jahren so spannend geworden, da wir erst heute die technologischen Werkzeuge zur Verfügung haben, um einzelne Teilchen zu erzeugen, zu manipulieren und für neuartige Lösungen zu nutzen. Die Entwicklung des Lasers oder der Leuchtdiode war der erste Schritt in diese Richtung und wird oft als erste Quantenrevolution bezeichnet. Dabei nutzen wir erstmals Quanteneffekte gezielt aus. Die nächste Stufe dieser Entwicklung ist nun die Erzeugung, Manipulation und Detektion von einzelnen Photonen oder Atomen in kommerziellen Produkten. In der Forschungsgemeinschaft spricht man daher häufig von der zweiten Quantenrevolution.
Wo liegen die Thüringer Forschungsansätze?
Generell lassen sich die Entwicklungen der Quantentechnologien in drei Bereiche gliedern – Quantencomputer, Quantenkommunikation und Quantensensorik. Rückblickend lässt sich sagen, dass die Thüringer Akteure, gerade aus Wissenschaft und Politik, bereits vor einigen Jahren die richtigen Weichen für die Entwicklung eines Quanten-Ökosystems in Thüringen gestellt haben.
Die enge Vernetzung von photonischen Technologien mit der Quantenphysik ist sicherlich ein Grund dafür. Ohne den Mut für neue Förderformate und die Bereitschaft in dieses Feld einzusteigen, wären wir aktuell aber nicht so gut positioniert.
Heute finden sich für alle Schwerpunktthemen der Quantentechnologien Forschungsbeispiele und Projekte in Thüringen. Sei es die Entwicklung von photonischen Quantencomputern, Entwicklungsarbeiten in der Quantensensorik mit neuen bildgebenden Verfahren oder die Entwicklung von hochsicheren Kommunikationslösungen auf Basis von Lichtquanten.
Die „Quanten-Community“ ist davon überzeugt, dass sich Lösungen mit einem „Quanten-Mehrwert“ zukünftig in vielen Produktkategorien finden werden und sich diese dann letztendlich mittel- und langfristig durchsetzen werden. Vielleicht nicht mit der erhofften Schnelligkeit, aber vermutlich mit größeren Veränderungen als wir es derzeit erwarten.
Als Spezialist in der Quantenkommunikation: Was erforschen Sie?
Wir haben die Quantum Optics Jena GmbH vor etwas mehr als zwei Jahren mit der Idee gegründet, verschränkte Photonenquellen zu entwickeln und zu kommerzialisieren. Allerdings wurde uns sehr schnell klar, dass diese neue Form von Lichtquellen ein viel größeres Marktpotenzial hat.
Seit den 1990er Jahren arbeiten viele Forschungsgruppen an Konzepten, mit diesen Lichtquellen abhörsichere symmetrische Schlüssel für die Verschlüsselung von Daten zu entwickeln. Häufig findet man diese Lösungen unter dem Schlagwort Quantenschlüsselverteilung – im englischen Quantum Key Distribution – kurz QKD. Die Idee dahinter ist, dass man einzelne Lichtteilchen nicht ohne die Störung des Quantenzustands analysieren oder abhören kann und somit eine Methode zur Verfügung hat, die die Sicherheit der Datenübertragung auf das Fundament von physikalischen Gesetzen stellt.
Mathematische Funktionen zur Erzeugung oder Verteilung dieses Schlüsselmaterials sind nicht mehr notwendig. Für die IT-Sicherheit stellt dies eine Revolution dar. In unseren Systemen erzeugen wir verschränkte Photonen und senden diese dann über Glasfasern an die Kommunikationspartner. Die Eigenschaften der Lichtteilchen werden dort gemessen. Das Spannende ist, das beide Teilchen miteinander verschränkt sind und quasi ein gemeinsames „Geheimnis“ teilen. Dieses können wir in Nullen und Einsen umwandeln und für die Erzeugung eines geheimen Schlüssels verwenden. Wird das Lichtteilchen vorher von einer dritten Partei gemessen, steht es nicht mehr für die Erzeugung des Schlüssels zur Verfügung, da nur gleichzeitige Messungen genutzt werden. Das Kopieren von Quantenzuständen ist auch nicht möglich, da sich diese nicht klonen lassen.
Die damit erzeugten Schlüssel werden im Anschluss für die Verschlüsselung der eigentlichen Kommunikation, also beispielweise die Absicherung einer VPN-Verbindung, eingesetzt und können kontinuierlich erneuert werden. Da selbst die Erzeugung des Schlüsselmaterials durch spontane quantenphysikalische Prozesse erfolgt, sind mathematische Verfahren zum Knacken des Schlüssels ausgeschlossen. Ein Angreifer hat daher nur die Möglichkeit diesen Schlüssel zu erraten. Für einen 256 Bit Schlüssel würde dies weit über jede menschliche Lebensspanne hinausgehen.
Wer macht das noch auf der Welt?
In den letzten Jahren haben sich vor allem in Asien, allen voran China, Hersteller von QKD-Lösungen angesiedelt und Lösungen implementiert. Der Markt ist allerdings auch durch eine Vielzahl von technologischen Lösungen geprägt, wobei sich bisher keine Idee marktseitig durchsetzen konnte. Die verschränkungsbasierte Quantenschlüsselverteilung nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Aktuell ist unser Unternehmen weltweit das einzige mit einem kommerziellen ganzheitlichen Produkt, das heißt von der Photonenquelle, den entsprechenden Quantenzustandsanalysatoren und einer eigenen Software. Als Geschäftsführer ist man an dieser Stelle schon sehr stolz auf das gesamte Team. So eine DeepTech Lösung aus dem kleinen Land Thüringen.
Sie haben die „Quanten-Community“ angesprochen. Wie sieht es mit der Kooperation unter den Akteuren aus?
Gerade die Kooperation mit lokalen Akteuren liegt uns am Herzen, da dies zum einen kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten verspricht. Zum anderen sichert es langfristig auch die Innovationsfähigkeit der Region und letztendlich Arbeitsplätze und Wohlstand. Wir sehen uns als Mitgestalter und Pioniere der zweiten Quantenrevolution.
Für uns stehen in den nächsten Monaten aber auch einige spannende Projekte auf der Agenda. Gemeinsam mit der Hochschule Nordhausen wollen wir beispielsweise einen Gesundheitskiosk im ländlichen Raum mit einem abhörsicheren Kommunikationssystem ausstatten. Damit sollen Informationen sicher zum Universitätsklinikum nach Jena gesendet werden. Mit dem Team des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik arbeiten wir aktuell an einer Weltraummission zur Verteilung von Quantenschlüsseln über eine optische Satellitenverbindung. Ziel ist es, in den kommenden Jahren die notwendigen Technologien für eine derartige Mission zu entwickeln und letztendlich auch in den Orbit zu bringen. Neben den regionalen Aktivitäten ist derzeit der Aufbau des einer europäischen Quantenkommunikationsinfrastruktur ein sehr spannendes Thema. Hier soll bis 2027 eine funktionsfähige Infrastruktur über ganz Europa aufgebaut werden. Wir hoffen natürlich, dass dabei viele Systeme aus Thüringen ihren Einsatz finden. (tl)
Quantenforschung in Thüringen: Das sind die Akteure
- Abbe Center of Photonics an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Technische Universität Ilmenau
- DLR-Institut für Datenwissenschaften Jena
- Helmholtz-Institut Jena
- Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT) Jena
- Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF Jena
- Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT Ilmenau
- Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung Ilmenau
- Institutsteil für angewandte Systemtechnik (IOSB-AST)
- IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik- Systemegemeinnützige GmbH (IMMS GmbH)
- Fraunhofer-Projektzentrum für Mikroelektronische und Optische Systeme für die Biomedizin Erfurt
- CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik GmbH Erfurt
Das Team der Quantum Optics Jena GmbH beim Aufbau eines Systems für die Quantenschlüsselverteilung (Foto: Quantum Optics Jena GmbH)