Lesedauer: 6 Minuten

Quantum Optics Jena GmbH

Mitgestalter und Pionie­re der zweiten Quan­ten­re­vo­lution

Wenn es um bahnbrechende Zu­kunfts­technologien geht, ist immer mal wieder von Quantentechnologien die Rede. Wenn die letz­te Phy­sik­stun­de dann auch noch schon ein paar Ta­ge her ist, bleibt den in­teressierten Lai­en nur noch ein Stirnrunzeln. Las­sen wir es uns also erklären. Und zwar von einem, der zu den wichtigsten Akteuren in Sa­chen Quantentechno­logien gehört. Dr. Kevin Füchsel ist Ge­schäfts­führer der Quantum Optics Jena GmbH. Im Interview mit dem WIRT­SCHAFTSSPIEGEL gibt er einen Überblick zum Thema Quantentech­no­logien.

Photonenpaarquelle

Vollautomatische Fertigung einer verschränkten Photonenpaarquelle | Foto: Quantum Optics Jena GmbH

Was sind Quanten?

Die Welt ist eine Quantenwelt. Soll heißen: Alles besteht aus Quanten, sofern man hin­rei­chend kleine Systeme anschaut. Denn Quan­ten sind die kleinsten und unteilbare Ein­hei­ten, die physikalische Wechselwir­kun­gen hervorrufen. Indem sie ihren eigenen Ge­setz­mäßigkeiten folgen, weisen Quanten Eigenschaften auf, die größere physikalische Sys­te­me nicht haben. Diese besonderen Ei­gen­schaften machen Forscherinnen und For­scher in ver­schiedensten Anwen­dungs­feldern nutzbar.

(Quelle: Fraunhofer IOF)

Fangen wir mal ganz von vorn an, Herr Dr. Füchsel. Was sind Quantentechno­lo­gien?

Eine fundamentale Hypothese zum Verständnis der Physik auf atomarer Ebene wurde im Jahr 1900 von Max Planck aufgestellt. Diese besagt, dass die Absorption und die Emis­si­on, also das Abstrahlen von Licht durch Atome nur mit de­finierten Portionen (Quanten) be­ziehungs­weise Energien erfolgen kann. In den Naturwissen­schaf­ten beschreibt ein Quant also abstrakt ge­spro­chen ein Objekt oder ein Teilchen mit einem diskreten Wert einer physikalischen Größe. In den darauffolgenden Jahren führten die Arbeiten von Planck und weiteren Wissen­schaft­ler­Innen zu einem völlig neuen Zweig der Physik, wel­cher heu­te als Quantenmechanik bezeichnet wird.

Interessant ist dabei, dass im atomaren Bereich Phänomene beobachtet und beschrie­ben wur­den, welche nur schwer mit unseren Alltags­er­fah­rungen vereinbar sind. So konn­te Werner Hei­sen­berg zeigen, dass es nicht möglich ist, die Po­sition und den Impuls ei­nes Teilchens gleich­zei­tig exakt zu messen. Noch spukhafter wurde die Quantenphysik durch grundlegende Arbei­ten von Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen, welche 1935 das Prinzip der Quan­ten­verschränkung beschrieben. Dabei sind zwei Teil­chen so miteinander verbunden, dass sie sich gegenseitig beeinflussen, unabhängig von der Entfernung zwischen ihnen.

Dr. Kevin Füchsel

Dr. Kevin Füchsel

Dr. Kevin Füchsel gründete gemein­sam mit seinem Geschäfts­partner Oliver de Vries im Jahr 2021 das Unter­nehmen Quan­tum Optics Jena aus dem Fraun­hofer IOF aus.

Die theoretischen Arbeiten des 19. Jahrhunderts bildeten die Grundlage für eine Vielzahl von Ex­perimenten und Untersuchungen. Neben Nobel­preisen für Max Planck, Albert Ein­stein, Wer­ner Hei­sen­berg oder Erwin Schrödinger für ihre the­ore­tischen Arbeiten Anfang des 19. Jahrhunderts wurden erst im vergangenen Jahr die Physiker Alain Aspekt, John Clau­ser und Anton Zeilinger für ihre Experimente mit verschränkten Photo­nen und Quan­ten­informationswissenschaften aus­gezeichnet.

Die Quantentechnologien – sprich die Nutzung von physikalischen Effekten und Geset­zen auf atomarer Ebene – ist in den vergangenen Jahren so spannend ge­worden, da wir erst heute die technologischen Werkzeuge zur Verfügung haben, um einzelne Teilchen zu erzeugen, zu manipulieren und für neuartige Lösungen zu nut­zen. Die Entwicklung des Lasers oder der Leuchtdiode war der ers­te Schritt in diese Rich­tung und wird oft als erste Quantenre­vo­lution bezeichnet. Dabei nutzen wir erstmals Quan­tenef­fekte gezielt aus. Die nächste Stufe dieser Ent­wicklung ist nun die Erzeugung, Manipulation und De­tektion von einzelnen Photonen oder Ato­men in kommerziellen Produkten. In der For­schungs­gemeinschaft spricht man daher häufig von der zweiten Quantenrevolution.

Wo liegen die Thüringer Forschungsansätze?

Generell lassen sich die Entwicklungen der Quan­ten­technologien in drei Bereiche glie­dern – Quanten­computer, Quantenkommunikation und Quantensensorik. Rück­blickend lässt sich sagen, dass die Thüringer Akteure, gerade aus Wissen­schaft und Politik, bereits vor einigen Jahren die richtigen Weichen für die Entwicklung eines Quan­ten-Ökosystems in Thüringen gestellt ha­ben.

Die enge Vernetzung von photonischen Techno­logien mit der Quantenphysik ist sicher­lich ein Grund dafür. Ohne den Mut für neue Förder­for­ma­te und die Bereit­schaft in dieses Feld einzu­stei­gen, wären wir aktuell aber nicht so gut posi­tioniert.

Heute finden sich für alle Schwerpunktthemen der Quantentechnologien Forschungs­bei­spiele und Projekte in Thüringen. Sei es die Entwick­lung von photonischen Quanten­com­putern, Entwicklungsarbeiten in der Quantensensorik mit neuen bildgebenden Verfahren oder die Entwick­lung von hochsicheren Kommunika­tions­lö­sungen auf Basis von Licht­quan­ten.

Die „Quanten-Community“ ist davon überzeugt, dass sich Lösungen mit einem „Quanten-Mehr­wert“ zukünftig in vielen Produktkategorien finden werden und sich die­se dann letzt­endlich mittel- und langfristig durchsetzen werden. Viel­leicht nicht mit der erhofften Schnelligkeit, aber vermutlich mit größeren Veränderungen als wir es derzeit erwarten.

Als Spezialist in der Quanten­kommu­nikation: Was erforschen Sie?

Wir haben die Quantum Optics Jena GmbH vor etwas mehr als zwei Jahren mit der Idee ge­grün­det, verschränkte Photonenquellen zu ent­wickeln und zu kommerzia­li­sieren. Al­ler­dings wur­de uns sehr schnell klar, dass diese neue Form von Lichtquellen ein viel grö­ßeres Markt­potenzial hat.

Seit den 1990er Jahren arbeiten viele For­schungs­grup­pen an Konzepten, mit diesen Licht­quel­len abhörsichere symmetrische Schlüs­sel für die Verschlüsselung von Daten zu ent­wi­ckeln. Häufig findet man diese Lösungen unter dem Schlagwort Quantenschlüs­sel­ver­teilung – im englischen Quantum Key Dis­tribu­tion – kurz QKD. Die Idee dahinter ist, dass man einzelne Lichtteilchen nicht ohne die Stö­rung des Quantenzustands analy­sie­ren oder abhören kann und somit eine Methode zur Ver­fü­gung hat, die die Sicherheit der Da­tenübertragung auf das Fundament von physikalischen Gesetzen stellt.

Mathematische Funktionen zur Erzeugung oder Verteilung dieses Schlüsselmaterials sind nicht mehr notwendig. Für die IT-Sicherheit stellt dies eine Revolution dar. In un­seren Systemen erzeu­gen wir verschränkte Photonen und senden diese dann über Glas­fasern an die Kommuni­ka­tions­partner. Die Eigenschaften der Licht­teil­chen werden dort gemessen. Das Spannende ist, das beide Teilchen miteinander verschränkt sind und qua­si ein gemeinsames „Geheimnis“ teilen. Die­ses kön­nen wir in Nullen und Einsen umwan­deln und für die Erzeugung eines geheimen Schlüs­sels verwenden. Wird das Licht­teil­chen vorher von einer drit­ten Partei gemessen, steht es nicht mehr für die Erzeugung des Schlüs­sels zur Ver­fügung, da nur gleichzeitige Messungen genutzt werden. Das Kopieren von Quantenzuständen ist auch nicht möglich, da sich diese nicht klonen lassen.

Die damit erzeugten Schlüssel werden im An­schluss für die Verschlüsselung der eigent­lichen Kommunikation, also beispielweise die Absiche­rung einer VPN-Ver­bin­dung, einge­setzt und kön­nen kontinuierlich erneuert werden. Da selbst die Erzeugung des Schlüs­sel­materials durch spon­tane quantenphysikalische Prozesse er­folgt, sind mathematische Verfahren zum Kna­cken des Schlüs­sels ausgeschlossen. Ein Angrei­fer hat daher nur die Mög­lichkeit diesen Schlüs­sel zu erraten. Für einen 256 Bit Schlüssel würde dies weit über jede menschliche Lebensspanne hinausgehen.

Wer macht das noch auf der Welt?

In den letzten Jahren haben sich vor allem in Asien, allen voran China, Hersteller von QKD-­Lö­sun­gen angesiedelt und Lösungen implemen­tiert. Der Markt ist aller­dings auch durch eine Viel­zahl von technologischen Lösungen geprägt, wobei sich bisher keine Idee markt­seitig durch­set­zen konnte. Die verschrän­kungs­basierte Quan­ten­schlüsselver­tei­lung nimmt dabei eine Sonder­stellung ein. Aktuell ist unser Unterneh­men weltweit das einzige mit einem kom­mer­ziel­len ganzheitlichen Pro­dukt, das heißt von der Photo­nen­quel­le, den entsprechen­den Quanten­zustandsanalysa­toren und einer eigenen Soft­ware. Als Geschäftsführer ist man an dieser Stel­le schon sehr stolz auf das gesamte Team. So ei­ne DeepTech Lösung aus dem kleinen Land Thü­ringen.

Sie haben die „Quanten-Community“ angesprochen. Wie sieht es mit der Ko­operation unter den Akteuren aus?

Gerade die Kooperation mit lokalen Akteuren liegt uns am Herzen, da dies zum einen kurze We­ge und schnelle Reaktionszeiten verspricht. Zum anderen sichert es langfristig auch die In­no­vationsfähigkeit der Region und letztendlich Arbeitsplätze und Wohlstand. Wir sehen uns als Mitgestalter und Pioniere der zweiten Quan­ten­re­volution.

Für uns stehen in den nächsten Monaten aber auch einige spannende Projekte auf der A­gen­da. Gemeinsam mit der Hochschule Nordhausen wollen wir beispiels­wei­se einen Ge­sund­heits­kiosk im ländlichen Raum mit einem abhör­siche­ren Kommunikationssystem aus­statten. Damit sollen Informationen sicher zum Universi­täts­kli­ni­kum nach Jena gesen­det werden. Mit dem Team des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Op­tik und Feinme­cha­nik arbeiten wir aktuell an einer Weltraummission zur Verteilung von Quan­ten­schlüs­seln über eine optische Satelliten­ver­bindung. Ziel ist es, in den kommenden Jahren die not­wendigen Technologien für eine derartige Mis­sion zu entwickeln und letztendlich auch in den Orbit zu bringen. Neben den regionalen Aktivitäten ist derzeit der Aufbau des einer euro­päischen Quantenkom­muni­ka­tions­infra­struktur ein sehr spannendes Thema. Hier soll bis 2027 eine funktionsfähige Infrastruktur über ganz Europa aufgebaut werden. Wir hoffen natürlich, dass dabei viele Systeme aus Thüringen ihren Ein­satz finden. (tl)

Quantenforschung in Thüringen: Das sind die Akteure

  • Abbe Center of Photonics an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
  • Technische Universität Ilmenau
  • DLR-Institut für Datenwissenschaften Jena
  • Helmholtz-Institut Jena
  • Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT) Jena
  • Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF Jena
  • Fraunhofer-Institut für Digitale Medien­tech­no­logie IDMT Ilmenau
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtech­nik und Bildauswertung Ilmenau
  • Institutsteil für angewandte Systemtechnik (IOSB-AST)
  • IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mecha­tronik- Systemegemeinnützige GmbH (IMMS GmbH)
  • Fraunhofer-Projektzentrum für Mikroelektro­nische und Optische Systeme für die Bio­me­dizin Erfurt
  • CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik GmbH Erfurt
Team der Quantum Optics Jena

Das Team der Quantum Optics Jena GmbH beim Aufbau eines Systems für die Quantenschlüs­sel­verteilung (Foto: Quantum Optics Jena GmbH)

Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Hühn zur Quantenkommunikation: Sicherheit im digitalen Zeitalter

Sicherheit im digitalen Zeitalter Quantenkommunikation auf dem VormarschEin Fachbeitrag von Prof. Dr. Thomas Hühn, Hochschule Nordhausen.Prof. Dr. Thomas Hühn | Foto: Paul-Philipp BraunDie...

Quantenforschung: Der (Quanten-)Schlüssel zur Zukunft – Gastbeitrag von Prof. Dr. Andreas Tünnermann

Der (Quanten-)Schlüssel zur ZukunftThüringen wird zunehmend zu einem Knotenpunkt der euro­pä­ischen Quantenforschung. Doch um Forschungser­geb­nisse langfristig zu sichern und nutzbar zu...

Quantenbildgebung für Anwendungen in Medizin und Biologie: Gastbeitrag von Dr. Frank Setzpfandt

Quantenbildgebung für Anwendungen in Me­di­zin und Biologie Photonenpaare sind Zustände des Lichts, in denen zwei Pho­to­nen durch quantenmechanische Inter­aktion so miteinander verbunden...

Erfurt soll Knotenpunkt für Quantennetzwerk werden

Erfurt soll Knotenpunkt für Quantennetzwerk werden Forschungsprojekt gestartetQuantentechnologien sind Zukunftstechnologien – und Thüringen ist ganz vorn dabei. Hier kommen dem Freistaat...
Share This