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„Aufgeben steht mir nicht“: Roswitha Weitz im Interview

Roswitha Weitz ist in den Ruhestand getreten

Irgendwie war sie zwei Jahrzehnte lang in der Thüringer Wirtschaft allgegenwärtig. Roswitha Weitz amtierte über 20 Jahre als Geschäftsführerin des IWT – Institut der Wirtschaft Thüringens GmbH. Zum 1. August ist sie in den Ruhestand gegangen. Nicht weil sie musste, sondern weil sie wollte. WIRTSCHAFTSSPIEGEL Chefredakteur Torsten Laudien hat sie kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben noch einmal getroffen.

Roswitha Weitz scheint mit sich im Reinen zu sein. Sie wirkt gelöst und aufgeräumt. So, wie es wohl auch in ihrem Büro sein muss. Rund sechs Monate hat sie ihren Nachfolger Dr. Enrico Schöbel einarbeiten können. Meist traten sie bei Veranstaltungen im Doppelpack auf. Wissenstransfer, Kontaktübergabe. „Wir haben die beiden deshalb schon unser ‚Dreamteam‘ genannt“, sagt VWT-Sprecherin Dr. Ute Zacharias.

Aber kann man einen Erfahrungsschatz von 20 Jahren einfach so übertragen? Am ehesten vielleicht, indem man grundsätzliche Einstellungen vermittelt.

Bei Roswitha Weitz heißt das: 

„Nicht nur über Kooperationen reden, sondern sie auch umsetzen.“

Roswitha Weitz. Foto: VWT/Juergen Scheere

Roswitha Weitz war langjährige Geschäftsführerin des IWT – Institut der Wirtschaft Thüringen GmbH. Zum 1. August gab sie das Amt an Dr. Enrico Schöbel ab.

Roswitha Weitz war zur Wendezeit als Berufsschullehrerin im Automobilwerk Eisenach tätig. Berufliche Aus- und Weiterbildung liegt ihr also im Blut. Das stellte sie auch beim Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft (BWTW) unter Beweis, wo sie den Bereich Westthüringen verantwortete. Damals baute sie gute Kontakte zu den Thüringer Hochschulen auf und initiierte Projekte, um Absolventen gut in Thüringer Unter nehmen zu integrieren. Es sollte ein Grundstock für ihre spätere Arbeit werden.

Der Plan: Alle zehn Jahre neue Themen

„Ich wollte eigentlich alle zehn Jahre neue Themen anfassen. 2001 war es an der Zeit dafür“, blickt Roswitha Weitz zu rück (darüber wird später noch zu reden sein). In einem Personalgespräch habe sie ihrer damaligen Chefin gesagt, dass sie sich beruflich verändern wolle – allerdings noch ohne einen konkreten Plan oder gar ein Ziel zu haben. Diese Chefin war es dann auch, die sie für die Geschäftsführung des IWT ins Gespräch brachte.

Das IWT ist 2001 an den Start gegangen. Der damalige Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz war begeistert von der Idee, Erkenntnisse der Wissenschaft in die Wirtschaft zu transferieren. Vier Jahre bekam das IWT eine Grundförderung mit dem Ziel, dass es danach auf eigenen Beinen stehen kann. Das war auch das erklärte Ziel der vier Gesellschafter VWT, VMET, AGVT und BWTW.

 

Zahlreiche Zukunftsthemen

„Es konnte mir eigentlich nichts besseres passieren“, blickt Roswitha Weitz heute auf diese Zeit zurück. Die Themen lagen sozusagen auf der Straße. Viele Zukunftsfragen mussten gelöst werden, Themen wie Umwelt, Arbeitsmarkt, Demografie und Fachkräfteentwicklung warteten auf eine Bearbeitung. Im Laufe der Jahre kamen neue hinzu, wie die Integration Geflüchteter.

Dabei ist die Arbeit des IWT kein Selbstzweck. „Das IWT will alles umsetzen, was Unternehmen voranbringt. Alle Ergebnisse, zu denen wir gelangen, müssen klar und verständlich sein.“ Das ist etwas, was auch die Verbandssprecherin des VWT für ihre Arbeit zu schätzen weiß: „So können wir nach außen mit belegbaren Zahlen, Daten und Fakten kommunizieren“, lobt Ute Zacharias. Und die Unternehmen sind zufrieden, wenn sie mit handhabbaren Fakten und Hilfsmitteln agieren können, wie zum Beispiel mit einem Tool, dass die Altersstruktur der Belegschaft im Blick hat. Man trifft es sicher ziemlich genau, wenn man Roswitha Weitz als engagierte, aber auch begnadete Netzwerkerin bezeichnet. Die Website des IWT weist allein zehn Organisationen und Initiativen auf, in denen sich das Institut für die Entwicklung der Thüringer Wirtschaft engagiert. Darunter sind zum Beispiel die Charta der Vielfalt, das Demografienetzwerk und die Landesgesundheitskonferenz, aber auch die Offensive Mittelstand und das Nachhaltigkeitsabkommen.

Ein weit verzweigtes Netzwerk

Roswitha Weitz hat ihr Netzwerk aber auch weit über die Grenzen des Freistaats ausgeweitet. So arbeitet das IWT an einem europäischen Demografie Projekt mit. „Verbundprojekte finde ich besonders spannend“, so Weitz. Sie eröffnen ganz andere Aspekte auf die Entwicklungen in der modernen Wirtschaft. So zum Beispiel das Thema „Mass Customization“, das die Verknüpfung von Massenproduktion mit individuellen Produkten beschreibt, die nach Anforderungen des Kunden hergestellt werden. Hier trafen Roswitha Weitz und ihr Institut auf Akteure, die sie sonst nie kennen gelernt hätte. Ein Netzwerk lebt bekanntlich vom Geben und Nehmen. Roswitha Weitz: „Wir müssen als Institut nicht alles wissen und können – und ich persönlich auch nicht. Aber wenn mich jemand bei einem Problem zu Rate zieht, kann ich sagen: ‚Gib mir zwei Stunden und ich finde jemanden, der sich damit auskennt.‘“

Rositha Weitz: „Aufgeben steht mir nicht“

Was ist eigentlich aus der Zehnjahresfrist geworden, nach der sie sich neuen Aufgaben zuwenden wollte? Roswitha Weitz zuckt mit den Schultern. Die Arbeit sei einfach so spannend und viel fältig, dass man darüber die Zeit vergessen könne, sagt sie sinngemäß. Und wörtlich: „Aufgeben steht mir nicht.“ Das nimmt man ihr unbesehen ab. Und gerade deshalb fällt es schwer zu glauben, dass sie einfach so loslassen könne.

Sie habe einige persönliche Schicksalsschläge hinnehmen müssen, sagt sie, und es klingt nicht nach einer Entschuldigung. Sie wolle sich einfach viel mehr Zeit für die Familie nehmen, die bislang oftmals zu kurz gekommen sei. Mit Leib und Seele Oma sein. Weil sie will, nicht weil sie muss.

Dann kommt doch noch das Aber: „Aber wenn Herr Dr. Schöbel mich anruft, werde ich ans Telefon gehen… Ich hoffe, dass er mich mal anruft.“ (tl)

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