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Wo viel Schatten war, ist jetzt ­auch viel Licht

Das Güterverkehrszentrum Erfurt, kurz GVZ, ist das größte und wohl bekannteste Erfurter Gewerbegebiet. Auch im bundes­weiten Vergleich kann es sich sehen lassen. In Erfurt existiert heute das dritt­größte GVZ Deutschlands. Seine wechselvolle aber heute sehr erfolgreiche Geschichte begann vor 30 Jahren.

Heinz Dürr am GVZ Erfurt

Treibende Kraft war der damalige CDU-Bundestags­abgeordnete Norbert Otto. Er setzte sich bei der seinerzeitigen Bundesregierung vehement dafür ein, bei Erfurt ein Güter­verkehrs­zentrum zu errichten. Ab 1992 wurde das Areal im Erfurter Osten auf Flächen der fünf Ortschaften Linderbach, Azmannsdorf, Vieselbach, Hochstedt und Büßleben beplant. Eigentümer und Vermarkter des damals als Güterverkehrszentrum Thüringen geführten Gewerbegebietes war die GVZ-Entwicklungs­gesellschaft. Die Stadt Erfurt und das Land Thüringen traten neben Einzelpersonen und Unternehmen als Mitgesellschafter auf. Land und Bund förderten das Projekt großzügig unter der Prämisse, dass sich dort produzierendes Gewerbe niederlässt.

Erschließung des GVZ in Erfurt

Die damaligen Hoffnungen lassen sich wohl am besten damit belegen, wenn man sich die Gästeliste des symbolischen ersten Spatenstichs ansieht. Neben der ersten Garde der Landes- und Kommunalpolitik war sogar der seinerzeitige Bahnchef Heinz Dürr in die Landeshauptstadt gekommen. Der hatte gerade die Mammut­aufgabe der Bahnreform zu stemmen und blickte deshalb mit besonderem Interesse auf das Projekt des Güter­verkehrszentrums in Erfurt als Vernetzungspunkt des Güterverkehrs von Straße und Schiene. 1993 begann die Erschließung des GVZ, 1995 siedelten sich die ersten Firmen an.

GVZ Erfurt-Gründung
Erschließung des GVZ Erfurt

Die gute Verkehrsanbindung des im Süden direkt an die B 7 Richtung Weimar grenzenden Gebietes wurde 1999 mit der Inbetriebnahme des Bahnterminals für den kombinierten Ladeverkehr ergänzt. Ab dann kann man wirklich von einem Güterverkehrszentrum sprechen.

Dafür bot sich die im Norden verlaufende Ost-West-Route der Mitte-Deutschland-Schienen­verbindung zwischen dem Ruhrgebiet oder Frankfurt/Main und Städten wie Halle, Leipzig, Chemnitz, Zwickau und Dresden geradezu an. Später kam noch eine zusätzliche Autobahn-Anschlussstelle hinzu. Heute werden am Terminal jährlich mehr als 20.000 Seefrachtcontainer von der Straße auf die Schiene und umgekehrt umgeschlagen.

Neustart in städtischer Hand

Im Jahr 2000 erlebte das GVZ seinen Tiefpunkt: Weil bis dahin nur ein Drittel der Fläche belegt war, meldete die GVZ-Entwicklungsgesellschaft Insolvenz an. Mit einem Vergleich in zwei­stelliger Millionenhöhe sicherte die Stadt Erfurt, dass das damals größte Gewerbegebiet Thüringens weiter vermarktet werden konnte. Sie übernahm im Jahr 2004 selbst die freien Flächen und die Betreuung des GVZ. Nach einer Bestands­aufnahme der damaligen Situation und Maßnahmen, um den Standort für Investoren attraktiver zu machen, wie den Verkauf zum Marktpreis oder der Fertigstellung noch nicht realisierter Erschließungsmaßnahmen, gelang dem GVZ der Neustart.

Seit 2004 ist der Vermarktungsstand auf heute rund 99 Prozent gestiegen. Neben einer Vielzahl von Großhändlern und Logistikern, die sich seitdem für das GVZ entschieden haben, fanden auch produzierende Unternehmen im einzigen Güterverkehrszentrum des Freistaats beste Ansiedlungsbedingungen. Die heutige Messgeräteproduktion in den Räumlichkeiten der einstigen Dünnschichtfertigung von Solarmodulen belegt zudem die Anpassungs­fähigkeit und Wandelbarkeit des Standortes. Projekte wie die Solaranlage auf einer durch Boden­unterschiede nicht für Gewerbe­immobilien geeigneten Fläche zeugen außerdem von den vielschichtigen Bemühungen der Stadt Erfurt um eine sinnvolle Auslastung des GVZ. Damit wurde zudem aus einer Not eine Tugend gemacht. Im Gegensatz zu anderen Gewerbegebieten mussten hier nämlich die sogenannten Ausgleichsflächen innerhalb und nicht außerhalb des Areals geschaffen werden.

Gewerbegebiet GVZ Erfurt
Weiterentwicklung des Standortes

Aus der Nachbarschaft der Unternehmen im heute zweitgrößten Gewerbegebiet Thüringens ergeben sich viele mögliche Synergieeffekte. So profitieren die bereits ansässigen Firmen von den Neuansiedlungen, kleine und mittlere von den großen Unternehmen und umgekehrt. Unterstützt und gefördert werden diese Möglichkeiten vom Gewerbeverein Güter­verkehrszentrum – Erfurt (GVZ-Erfurt) e. V. Er vertritt die Interessen der dort ansässigen Unternehmen und engagiert sich für die Weiterentwicklung des Standortes.

So arbeitete der Verein am Projekt „zweite Ausfahrt“ mit, die nach Ablauf der Bindefrist für die Fördermittel durch die Stadt Erfurt geplant und realisiert wurde. Roland Brückner steht dem Verein vor. Er lobt im Gespräch mit dem WIRTSCHAFTSSPIEGEL die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, die in den letzten zehn Jahren deutlich besser geworden sei. Dennoch legen er und seine Mitstreiter immer wieder die Finger in die Wunden, von denen es – bei aller positiven Entwicklung – durchaus mehrere gibt.

Zukunftschancen des GVZ

Ungelöst ist nach wie vor die ungenügende Stellplatzsituation für LKWs. Daraus ergeben sich gleich die nächsten Probleme, nämlich die Übernachtung und Versorgung der Brummi-Fahrer. Brückner, der zeitweise noch selbst „auf dem Bock sitzt“, schwebt eine Art einfaches Hotel mit Verkaufsstelle vor. In diesem Zuge könne auch gleich das andere große Problem des GVZ in Angriff genommen werden – die ungelöste Müllentsorgung. Bislang werfen die Trucker ihren Müll mangels Alternative einfach an die Straßenränder. Brückner wünscht sich in diesem Zusammenhang einen höheren Kontrolldruck durch die Ordnungsbehörden.

Jetzt ist aber erstmal feiern angesagt. Am 10. September begeht das GVZ sein 30-jähriges Bestehen mit einem Tag der offenen Türen, an dem sich nahezu alle dort ansässigen Unternehmen mit teils spektakulären Aktionen beteiligen. Dann wird es sicher auch Gelegenheit zu Gesprächen zwischen den Unternehmern und der Politik geben. Dabei werden sicher auch die anderen Wünsche der Vereinsmitglieder zur Sprache kommen: Der nach einer dritten Ausfahrt und der nach einer besseren Verzahnung des GVZ mit dem Nahverkehr, beispielsweise über den Bahnhof Vieselbach.

Die Höhepunkte des Tages der offenen Türen entnehmen Sie bitte der folgenden Seite. (tl)

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