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Warum die Regeln fürs Bauen
neu gedacht werden müssen
Thüringer Bauordnung zwischen Bürokratie und Aufbruch
Wer in Thüringen baut, braucht Geduld. Nicht selten sind es weniger Handwerker oder Baustoffe, die Projekte verzögern, sondern die Regeln, nach denen gebaut werden darf. Die Thüringer Bauordnung, das Fundament des öffentlichen Baurechts im Freistaat, steht seit Jahren in der Kritik.
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Zu kompliziert, zu bürokratisch, zu wenig digital – so lauten die Vorwürfe von Architekten, Projektentwicklern und Investoren. Nun wächst der Druck, die Vorschriften grundlegend zu überarbeiten. Angesichts des hohen Bedarfs an Wohnraum und der Suche nach Flächen für Gewerbe wird die Reform der Bauordnung zur wirtschaftspolitischen Schicksalsfrage.
Die nächste Überarbeitung der Bauordnung steht auf der politischen Agenda. Ob daraus ein mutiger Schritt in Richtung Zukunft oder nur eine weitere Anpassung im Kleingedruckten wird, entscheidet sich in den kommenden Monaten. Klar ist: Wer die Bauordnung modernisiert, schafft die Grundlage für Wachstum – im Baugewerbe, in der Wirtschaft insgesamt und für die Attraktivität Thüringens als Standort.
Bremsklötze: Bürokratie und Rechtsunsicherheit
Aus Investorensicht ist vor allem die Planungs- und Rechtssicherheit entscheidend. Doch genau hier hapert es. Unterschiedliche Auslegungen durch Bauämter schaffen Unsicherheit, Genehmigungsverfahren dauern oft deutlich länger als in Nachbarländern. Für Projektentwickler bedeutet das: Kapitaleinsatz ist blockiert, Renditen sinken, und die Bereitschaft, in Thüringen zu investieren, leidet.
Im Wohnungsbau verschärft die Situation die ohnehin angespannte Lage. Während Städte wie Jena oder Erfurt händeringend nach Lösungen für bezahlbaren Wohnraum suchen, werden serielles und modulares Bauen durch starre Vorgaben behindert. Investoren sehen sich mit Auflagen konfrontiert, die eher aus einer vergangenen Epoche stammen, in der Digitalisierung, Energieeffizienz oder innovative Bauver fahren keine Rolle spielten.
Reform als Standortstrategie
Die Forderungen aus Wirtschaft und Verbänden sind eindeutig: Thüringen muss die Bauordnung verschlanken, digitalisieren und vereinheitlichen. „Die Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange“, warnt Steffen Könnicke, Vorstandsvorsitzender der Landesgruppe Thüringen im Bauindustrieverband Hessen-Thüringen. Bürokratische Hürden verzögerten Projekte – von Transportgenehmigungen bis zur letzten Unterschrift, sagte er der Tageszeitung Die Welt.
Christina Ruderisch, die Geschäftsführerin der Landesgruppe Thüringen, bringt es auf den Punkt: „Für den Mittelstand ist der Aufwand schlicht zu hoch.“ Besonders öffentliche Ausschreibungen schreckten viele Unternehmen durch exzessive Nachweissammlungen ab, erklärte sie in der Tagesschau.
Eine zentrale digitale Bauplattform würde Verfahren beschleunigen, Transparenz schaffen und Planungsrisiken reduzieren. Verbindliche Fristen für Behörden könnten zudem das Tempo steigern – ein klarer Standortvorteil im Wettbewerb um Investitionen.
Aber es gibt auch andere Wortmeldungen. Die Architektenkammer Thüringen kritisiert, dass in der aktuellen Novelle wichtige klimapolitische Ziele zu kurz kommen: Nachhaltigkeit, energiesparendes Bauen und der Transformationsgedanke fehlen weitgehend. Präsidentin Ines M. Jauck mahnt: „Die angestrebten Ziele werden mit dem vorgelegten Gesetzentwurf verfehlt.“
Mehr Spielraum für innovative Bauformen
In einem sind sich die Experten einig. Es braucht mehr Spielraum für innovative Bauformen. Wer bezahlbaren Wohnraum schaffen will, darf sich nicht länger in Detailvorgaben verlieren. Flexible Regelungen würden gerade im Wohnungsbau neue Dynamik freisetzen und privaten wie institutionellen Investoren Planungssicherheit geben.
Auch die Harmonisierung mit den Nachbarländern ist ein wichtiger Faktor. Sachsen und Bayern haben Reformen auf den Weg gebracht – Thüringen läuft Gefahr, bei Investitionsentscheidungen abgehängt zu werden. Denn wer Kapital in Wohn oder Gewerbeimmobilien steckt, entscheidet sich zunehmend für Standorte, wo Verfahren transparent, digital und zügig ablaufen.
Signalwirkung für Thüringen
Eine modernisierte Bauordnung wäre mehr als ein juristisches Update – sie wäre ein Standortsignal. Für Investoren: Thüringen ist planbar. Für Wohnungsunternehmen: Thüringen schafft Raum für Innovation und bezahlbares Bauen. Für internationale Player: Thüringen ist ein Standort, der wirtschaftspolitische Weichen richtig stellt.
Der Freistaat steht damit vor einer klaren Wahl: Weiter so und damit Risiko, bei Kapitalflüssen ins Hintertreffen zu geraten – oder ein mutiger Schritt, die Bauordnung als Instrument für Wachstum, Wohnungsbau und Standortattraktivität neu zu denken.
