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Hochschule Schmalkalden (HSM)
Die Vermessung des Klimas. Über Crowdsourcing als Instrument der Meteorologie.
Uns mittlerweile vertraute Begriffe wie Extremtemperaturen und Hitzeinseln machen deutlich, wie sich das Klima verändert hat. Was aber sind die Effekte dieser Entwicklung auf unsere Innenstädte und wie lassen sich die verschiedenen Faktoren vermessen? Unter Beteiligung der Hochschule Schmalkalden ging ein interdisziplinäres Team just dieser Frage nach.
Foto: Hochschule Schmalkalden
In den letzten Jahren konnten wir vermehrt ebenso trockene wie heiße Sommermonate erleben, in denen sich unsere Städte zum Teil stark erwärmten. Die Zahl an Tropennächten, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius fällt, nahm in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr zu: Bis zu dreimal häufiger tritt dieses Phänomen mittlerweile auf. Gerade die stark bebauten, versiegelten Stadtkerne weisen signifikant erhöhte Temperaturen auf und machen offenkundig, wie nützlich Grünflächen, Bäume und Wasserläufe für die Abkühlung dieser Bereiche sind. Zwischen den Zentren und Randlagen der Städte bestehen zugleich markante Temperaturunterschiede, neigen letztere doch deutlich weniger zur Hitzebildung und -konservierung.
Diese Abweichungen werden von den üblichen Instrumenten zur Ermittlung der Temperatur nur ungenügend erfasst, findet die Messung doch zumeist zentral an einem Ort statt und deckt so nicht den ganzen Stadtraum ab. Eine Bürgerinitiative in Bamberg nahm die Unterschiede zwischen der statistischen und der wahrgenommenen Temperatur zum Anlass für eine experimentelle Messung: An verschiedenen Stellen der Stadt wurden die Temperaturen über einen Tag stündlich abgetragen und verglichen, wobei sich Abweichungen von bis zu sieben Grad Celsius ergaben.
Von der Qualität der Daten
Das Phänomen unterschiedlicher Wärmeentwicklung und die Effekte auf die Menschen vor Augen, lässt sich fragen, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, an meteorologische Daten zu kommen, die ein detaillierteres Bild zeichnen. Eine Option, die Datenlage zu erweitern, besteht im Crowdsourcing, bei dem auf verfügbare Quellen von Datenmaterial außerhalb der Standardmessnetze zurückgegriffen wird. Dabei liegt die Herausforderung der Nutzung dieser Quellen darin, die Qualität der Daten und damit die Validität der Messungen gewährleisten zu können: Welche Instrumente eignen sich unter welchen Umständen für die Ermittlung von welchen Daten, wie lassen sich Messfehler vermeiden?
Oder anders: Was sind die Bedingungen und Möglichkeiten der Nutzung von Crowdsourcing zur Gewinnung von atmosphärischen Messdaten? Wie lassen sich Fehler in der Messung vermeiden und wie können Programme fehlerhafte oder unsichere Daten aussortieren? Genau diesen Fragen geht einer Gruppe von Forschenden in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Gefahrstoffe. Reinhaltung der Luft“ nach, an dessen Erstellung sich auch Prof. Roy Knechtel von der Fakultät für Elektrotechnik an der Hochschule Schmalkalden beteiligte. Er hat an dieser Hochschule für angewandte Wissenschaften die Professur für Autonome intelligente Sensoren inne.
Die Aufgaben der Messinstrumente der Reihe nach: Niederschlagsmenge, Temperatur, Windrichtung und -stärke (per Ultraschall) | Foto: Hochschule Schmalkalden
Der Artikel, eine Kooperation von Thomas Foken, Benjamin Bechtel, Matthias Budde, Daniel Fenner, Roy Knechtel und Fred Meier dient der Vorbereitung einer VDI-Richtlinie, in der Fragen der Sensortechnik, der Sicherung der Datenqualität und die Möglichkeiten der Datenverarbeitung verhandelt und im Horizont der Anwendung geklärt werden sollen. Dies zielt auf technische Normen, die vom Deutscher Ingenieure (VDI) aufgestellt werden: Sie halten Empfehlungen, Standards und Regeln im Bereich der Ingenieurwissenschaften bereit und dienen als grundlegende Orientierung und Vereinheitlichung ingenieurwissenschaftlicher und angewandter Arbeit. Dies bietet einen Grundstock an Empfehlungen für Ingenieur:innen im Umgang mit Geräten, Medien und u.a. Techniken. Gerade bei neuen technologischen Entwicklungen wie dem Crowdsourcing stellen die Richtlinien die Qualität und die instruktive Verwendung in einem sich schnell entwickelndem Forschungsfeld sicher.
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Throwback
Paxisbericht von Prof. Dornieden (Professur für allgemeine BWL, Beschaffung und Produktion)
Professor Dornieden gab einen Einblick in seine Tätigkeit bei dem Unternehmen Ottobock SE & Co. KGaA, in welchem er den konkreten Auswirkungen der Novelle des Lieferkettengesetzes nachging. Folglich stand die Abteilung der Beschaffung des international tätigen Unternehmens aus dem Bereich des Health-Tech im Fokus seiner Arbeit.
Die nunmehr obligaten Anforderungen der Nachhaltigkeit umfassen nicht nur ökologische Vorgaben des Umweltschutzes, sondern setzen auch menschenrechtliche Standards bei den direkten Gliedern der Lieferketten. Diese gesetzlichen Rahmenbedingen stellen Unternehmen mit komplexen Beschaffungswesen vor Herausforderungen: Zunächst mussten die Implikationen der Sorgfaltspflicht und ihre Effekte eruiert werden. Von dieser Einschätzung ausgehend ging es im nächsten Schritt um eine Bestandsaufnahme der Beschaffung und der bestehenden Lieferketten: Erst die Analyse des Status Quo ließ eine Bewertung der Folgen des Gesetzes und eine Konzeption von Vorschlägen für eine Konsolidierung der Beschaffung zu.
Neue Köpfe
Junior-Prof. Dr.-Ing. Constantin Pohl (Professur für Data Analytics)
Constantin Pohl hat seit letztem Jahr die Professur für Data Analytics an der Fakultät Informatik der Hochschule Schmalkalden inne. Neben der für verschiedene Wissenschaften immer zentralere Analyse von Daten sind die Programmierung, Datenbanken, verteilte und parallele System sowie die künstliche Intelligenz Schwerpunktthemen seiner Forschung. Zudem ist er Teil des anerkannten Forschungsschwerpunktes Adaptive Signalanalyse.
Forschungsprojekte
Volkswirtschaftliche Wirkungen legaler und illegaler Formen von Unternehmenskooperationen
Prof. Dr. Kai Hüschelrath (Professur für Volkswirtschaftslehre)
Open-RAN basiertes Campusnetz für industrielle Echtzeitanwendungen (6G-Terafactory)
Prof. Frank Schrödel (Professur für Automatisierungs-, Antriebs- und Robotertechnik)