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Expertenkommission schlägt Zukunftsausschuss vor
Silodenken in der Bundesregierung?
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat der Bundesregierung Silodenken vorgeworfen. Das geht aus ihrem aktuellen Jahresgutachten hervor. Allerdings konstatieren die Experten unter Leitung des Jenaer Wissenschaftlers Prof. Uwe Cantner, dass die Bundesregierung vor großen Aufgaben stehe.
Der Jenaer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Uwe Cantner leitet die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) | Foto: FSU
Um hier endlich Fortschritte zu erzielen, bedürfe es dringend eines neuen, agilen Politikstils und einer dazu passenden Governance-Struktur. „Auch in der Innovationspolitik ist eine Zeitenwende notwendig! Nur auf diese Weise wird sich in Wirtschaft und Gesellschaft eine Aufbruchsstimmung erzeugen lassen, die für die Umsetzung der Transformationen enorm wichtig ist“, so der Vorsitzende der Expertenkommission. „Ein ‚weiter wie bisher‘ bei der Politikkoordination kann sich Deutschland weder in zeitlicher noch in finanzieller Hinsicht leisten.“
Zukunftsausschuss einrichten
Die Expertenkommission empfiehlt, als ein Zeichen der innovationspolitischen Zeitenwende einen ständigen Zukunftsausschuss einzurichten. Aufgabe des Ausschusses wäre es, die Ziele zu innovations- sowie transformationsbezogenen Themen abzustimmen sowie einschlägige Strategien – etwa die Zukunftsstrategie Forschung und Innovation, die Digitalstrategie und die Start-up-Strategie – zu koordinieren und festzulegen. „Diese wichtigen Regierungsaufgaben können weder im Rahmen von Kabinettssitzungen noch bei der Ressortabstimmung einzelner Strategien adäquat geleistet werden“, stellt Uwe Cantner fest. Der Zukunftsausschuss sollte nach Ansicht der Expertenkommission im Bundeskanzleramt verankert und vom Chef des Bundeskanzleramtes geleitet werden. Auf diese Weise käme den Transformationen die höchste politische Priorität zu. Dem Ausschuss sollten diejenigen Ministerinnen und Minister als feste Mitglieder angehören, deren Ressorts am intensivsten mit innovations- und transformationsbezogenen Fragestellungen befasst sind. Andere Ministerinnen und Minister können anlassbezogen hinzugezogen werden. Um eine hohe Verbindlichkeit zu schaffen, sollte der Zukunftsausschuss dem Bundeskabinett sowie dem Deutschen Bundestag regelmäßig und ergebnisorientiert Rechenschaft ablegen. Die im Ausschuss festgelegten Strategien werden an die Ressorts beziehungsweise ressortübergreifende Teams übergeben und dort über Roadmaps, Meilensteine und fortlaufende Evaluationsschleifen in die Umsetzung gebracht.
Synergien zwischen militärischer und ziviler Forschung
Die Expertenkommission geht in ihrem Jahresgutachten auch auf die von Bundeskanzler Olaf Scholz angesichts des Krieges in der Ukraine ausgerufenen Zeitenwende ein. In einem eigenen Abschnitt stellt sie die hierzulande bestehende strikte Trennung zwischen militärischer und ziviler Forschung in Frage und plädiert dafür, Synergien zu nutzen. Der russische Angriff auf die Ukraine habe die militärische Sicherheit Deutschlands und damit auch die Militärforschung wieder in den Blick gerückt.
„Fakt ist, dass in anderen Ländern Forschungsaktivitäten im Militärsektor wichtige Impulse für Innovationen im zivilen Sektor liefern und umgekehrt. Das heißt, durch die strikte Trennung der beiden Sektoren entgehen Deutschland fortlaufend Synergieeffekte und Innovationsimpulse“, kritisiert EFI-Vorsitzender Uwe Cantner. „Beispielsweise ist die Cybersicherheit sowohl für den zivilen als auch für den militärischen Sektor immens wichtig. Hier sollten die Anstrengungen in der Forschung gebündelt werden“, fordert der Wirtschaftswissenschaftler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Ähnliches gilt für die Raumfahrt und den New Space, denkt man nur an die zivile und militärische Forschung zu Kommunikation, Navigation und Erdbeobachtung”, ergänzt Prof. Dr. Till Requate von der Universität Kiel und Mitglied der Expertenkommission. (tl)