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Achtsamkeit fängt bei der eigenen Gesundheit an: die häufigsten Manager-Erkrankungen

Herzprobleme, Fettleber, Nieren­be­schwer­den und Diabetes – Men­schen, die sich beruflich viel zu­mu­ten und mitunter Symp­tome nicht ernst nehmen, gefährden ihre Ge­sund­heit.

WIRTSCHAFTSSPIEGEL hat mit Chef­ärzten der Zentralklinik Bad Berka über Diagnostik, Therapie und Vor­beugung der häufigsten Manager-Er­krankungen gesprochen.

Businessman talking with female doctor at the hospital

Foto: bnenin – stock.adobe.com

Gesprächspartner waren Prof. Dr. med. Jens Gerd Scharf (leitet den Firmen Check-Up), Prof. Harald Lapp, Chefarzt der Klinik für Kardiologie und In­ternistische In­tensiv­medizin des Herzzentrums, Prof. Christoph Geller, Chefarzt der Ab­teilung für Rhyth­mologie und Eleketro­physio­logie des Herz­zentrums, Prof. Dieter Hörsch, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastro­enterologie und En­do­krino­logie sowie Dr. Ulrich Paul Hinkel, Chefarzt der Klinik für Ne­phrologie.

Es ist gut, auf seinen Körper zu hören, aber auch ganz prag­matisch und sinn­voll, regel­mäßig alles checken zu lassen. Es gibt die Vor­sorge­­unter­­su­chungen beim Haus­arzt oder beim Zahnarzt und in Kliniken auch private Angebote, um sich durch­checken zu lassen. Wie oft sollte man sich checken lassen?

Prof. Scharf: Ab 35 alle zwei Jahre. Daran kann man sich gut orientieren.

Bei welchen Symptomen sollte man un­bedingt zum Arzt?

Prof. Scharf: Es gibt Alarmzeichen. Dazu gehören Schwindel, Doppelbilder, Luftnot, schwarzer Stuhl, Brust­schmerzen.

Bleiben wir bei Brustschmerzen, also dem Herz: Sind Herzpatienten über­wiegend Menschen älterer Jahr­gänge und männ­lich?

Prof. Lapp: Nein, das hängt ganz von der Erkrankung ab und da klammere ich Patienten mit angeborenen Herzfehlern schon aus. Es beginnt für viele im vierten Lebensjahrzehnt zum Beispiel mit Rhythmusstörungen. Natürlich ist die Gruppe der Patienten mit „60 plus“ die größte Gruppe mit Arteriosklerose. Aber wie so oft entscheiden auch hier Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Diabetes, hoher Blutdruck, hohe Cholesterin werte, ob und wann jemand be­stimmte Herzerkrankungen bekommt.

Gibt es Symptome, die jeder spüren kann, die auf geschädigte Herzklappen hin­wei­sen?

Prof. Lapp: Wir kennen alle die typischen Symptome bei eingeengten Herz­kranzgefäßen, die sogenannte Angina pectoris mit Engegefühl und Schmerz in der Brust. Solche Symptome sehen wir bei Herzklappenerkrankungen nur sehr selten, dafür sind die Anzeichen einer Herz­klappenerkrankung vielgestaltig und nicht so typisch. Das heißt, die auftretenden Be­schwer­den können auch verschiedene andere Ursachen haben und erst durch genauere Untersuchungen kann man feststellen, ob eine Herzklappe betroffen ist. Symptome, die bei geschädigten Herzklappen auftreten können, sind eingeschränkte körperliche Belastbarkeit, Luftnot unter Belastung oder bei sehr schweren Klappenveränderungen auch in Ruhe, Wasser­an­sammlung im Körper, insbesondere in den Beinen oder auch bestimmte Herz­­rhyth­­mus­störungen. Hier sind spezielle Unter­su­chung­en notwendig.

Prof. Dr. med. Jens Gerd Scharf steht im Gang der<br />
Zentralklinik Bad Berka

Prof. Dr. med. Jens Gerd Scharf

Wie äußert sich eine Herzschwäche?

Prof. Lapp: Wer bemerkt, dass die zwei Etagen, die man sonst spielend nach oben schafft, nicht mehr ohne eine Pause zu bewältigen sind, sollte sich untersuchen lassen. Diese zwei Treppen sind übrigens nicht aus der Luft gegriffen – sie entsprechen genau der Belastung beim Be­lastungs-EKG von etwa 75 Watt. Oft sind dann Herzprobleme wie Herzschwäche, eine Herz­muskel­entzündung oder auch hoher Blutdruck Gründe für die Kurzatmigkeit.

Was ist bei plötzlich auftretender Kurz­at­mig­keit?

Prof. Lapp: Wenn die Kurzatmigkeit ohne besonderen Anlass plötzlich auftritt, dann sollte man den Notarzt rufen. Da kommen beispiels­weise eine Lungenembolie in Frage oder auch ein Herzinfarkt. Letzterer geht ja nicht immer mit Schmerzen einher, bei manchen Menschen macht sich dieser ausschließlich durch Luftnot bemerkbar. Aber es gibt auch andere Situationen, die weniger dramatisch sind. Wenn man zum Beispiel ein stressiges Gespräch geführt hat, ist es auch möglich, dass man kurzatmig wird und hyperventiliert. Akute Probleme, die auch mit Begleitsymptomen wie kaltem Schweiß, rasen­dem Puls oder Schmerzen einhergehen, sollten immer ernst genommen werden.

Vorhofflimmern ist die häufigste Herz­rhyth­mus­störung, nur jeder Zweite merkt überhaupt, dass er betroffen ist. Wie merkt man das?

Prof. Geller: Teilweise macht Vorhofflimmern sehr ausgeprägte Beschwerden und diese Patienten gehen relativ rasch zum Arzt. Dann gibt es aber auch Patienten, die kaum oder nur sehr indirekte Anzeichen für das Vorliegen dieser Herz­rhyth­mus­störung haben. Herzklopfen, Herzrasen, un­regel­mäßiger Puls, einige merken das, aber andere merken das eher nicht, sondern sind eher mit den Folgen konfrontiert: eine schwindende Belastbarkeit, Brustschmerzen, Schwindel, es wird einem schwarz vor Augen bis zur Bewusst­losigkeit. Meine Empfehlung: Ab 60 regelmäßig ein EKG im Jahr.

Prof. Harald Lapp

Prof. Harald Lapp

Prof. Christoph Geller

Prof. Christoph Geller

Was ist mit Homediagnostik?

Prof. Geller: Da die Hälfte nichts von ihrer Erkrankung weiß, gibt es schon Empfehlungen ab 60, 65 Jahren, auch ohne Vorerkrankung, solche Möglichkeiten wie Smartwatches und ähn­liches regelmäßig zu nutzen.

Kann man auch weitere Tests zuhause selber machen, zum Beispiel Urintests?

Prof. Scharf: Ich denke, dass das gar nicht schlecht ist. Damit kann man testen, ob In­fektionen vorliegen oder ob Eiweiß im Urin ist. Auch die Teststreifen, mit denen man Blut im Stuhl nachweisen kann, sind zu empfehlen. Diese Eigentests sollten bei Auffälligkeiten auch beim Arztbesuch vorgelegt und gegebenenfalls kontrolliert werden. Dr. Hinkel: Einmal im Jahr kann man sich beim Hausarzt testen lassen. Mit Bluthochdruck und auch bei Diabetes sollte das selbstverständlich sein.

Apropos Diabetes: Die Krankheit ist nicht sofort als heftiges Symptom zu spüren. Ist nach Jahren unerkannter Dia­betes schon alles zu spät, sind die Ge­fäße überhaupt noch zu retten?

Prof. Hörsch: Es ist prinzipiell unwahrscheinlich, dass ein Diabetes über viele Jahre unerkannt bleibt. Man wird diese Erkrankung bei einer Routineuntersuchung oder durch Symptome merken. Wenn man längere Zeit einen un­erkannten Diabetes hat, entwickeln sich Folge­schäden, beispielsweise an den Nieren, den Au­gen und auch an den Ge­fäßen. Es ist aber nie zu spät, um gegen­zusteuern, zum Beispiel mit guten Medi­kamenten, mit denen man den Blutzucker einstellen kann. Ganz wichtig ist es aber, den Lebensstil zu ändern. Das ist extrem schwierig. Doch schon kleine Veränderungen, wie dreimal 30 Minuten körperliches Training, also straff Spazierengehen, in der Woche, hilft. Auch eine leichte Diätumstellung wirkt Wunder. Wenn man es dann noch schafft, auch ein paar Pfunde zu verlieren, wenn man übergewichtig ist, dann verbessert sich die Stoffwechsellage schon erheblich. Je besser der Zucker ein­ge­stellt ist, umso weniger Komplikationen und da­mit auch Folge­schäden gibt es.

Portrait zu Gesundheit

Prof. Dieter Hörsch

Welche Symptome sind Alarm­signale? Immer noch der große Durst, Aceton­geruch und Er­schöpfung?

Prof. Hörsch: Wir sehen diese Symptome nur, wenn sich der Zucker plötzlich entwickelt, weil es dann zu einer schlagartigen Ausscheidung über die Nieren kommt. Bei den meisten Pa­tienten entwickelt sich das schleichend. Die Hausärzte sind in der Regel sehr sensibilisiert und kontrollieren gerade bei Patienten, die ein paar Pfund zu viel haben und im mittleren Alter sind, immer den Blut druck und den Blutzucker, mitunter auch die Blutfette. Noch bessere Möglichkeiten bieten der Nüchtern- und der Langzeit-Blutzuckertest. Damit kann man früh erkennen, ob die Patienten an einer Vorstufe oder an Diabetes erkrankt sind.

Zu viel Süßes ist nicht immer der Grund für Diabetes. Welche Art der Ernährung be­günstigt den Typ 2-Diabetes und welche kann davor schützen?

Prof. Hörsch: Prinzipiell führt Zucker nicht zu Zucker. Das ist zu einfach gedacht. Die Risikofaktoren zur Entwicklung einer Dia­be­tes­erkrankung sind vor allem Be­we­gungs­mangel und Über­gewicht. Dabei spielt auch die Fett­verteilung eine Rolle. Das Bauchfett hat Stoff­wechsel­eigenschaften, die ungünstig sind. Etwas mehr auf den Hüften oder an den Oberschenkeln ist da nicht ganz so gefährlich. Letztlich ist es egal, ob man zu viele Bratwürste isst oder zu viel Kuchen – es kommt auf das Übergewicht und die Verteilung an. Je höher das Übergewicht und je ungünstiger die Verteilung, umso größer ist das Risiko für Diabetes.

Diabetes ist der zweithäufigste Dia­lyse­grund. Wer muss besonders auf seine Nieren aufpassen?

Dr. Hinkel: Ganz klar: Es sind Menschen mit Krankheiten, die häufig auftreten, wie zum Beispiel hoher Blutdruck. Der schadet nicht nur dem Herzen, dem Gehirn, den Beinen, sondern allen Organen, auch den Nieren. Ein großer Teil der Dia­lyse­pa­tienten verdankt diese Di­alyse­pflicht dem Blut­hochdruck. Das bedeutet auch, Kardiologen und Nephrologen müssen eng zu­sammenarbeiten. Schon im alten Testament ist das in Zusammenhang gebracht worden, es wurde auf ‚Herz und Nieren geprüft‘. Herz und Niere gehören zusammen. Wenn das Herz nicht mehr richtig arbeitet, werden die Nieren nicht mehr richtig durchblutet. Wenn die Niere nicht mehr arbeitet, können Stoffwechselprodukte nicht richtig ausgeschieden werden und auch Flüssigkeit verbleibt im Körper. Das belastet das Herz. Das bedeutet: Herz und Niere sind oft im Zu­sammenhang krank.

Dr. Ulrich Paul Hinkel Portrait Klinikum

Dr. Ulrich Paul Hinkel

Eine weitere unterschätzte Gefahr ist die Fettleber, der häufigste Leberbefund in Deutschland. Woran merkt man eine Fett­leber?

Prof. Hörsch: Leider ist das so, dass eine Fettleber gar keine Symptome auslöst. Eine Fettleber spürt man nicht, sonst könnten Ver­änder­ungen auch früher diagnostiziert werden. Begleitumstände einer Fettleber wie das Metabolische Syndrom mit erhöhten Cho­les­ter­inwerten, erhöhten Blutzuckerwerten und arteri­eller Hypertonie werden festgestellt. Auch zu viel Bauchfett gehört dazu. Jeder kann selbst testen. Bei einem Umfang von mehr als einem Me­ter ist es schon zu viel. Ein Bierbauch ist etwas Gefährliches.

Viele googlen ihre Symptome, um sich über Diagnostik und auch Therapien zu in­for­mieren – mag man als Arzt gut vor­bereitete Patienten?

Prof. Scharf: Der moderne Arzt mag autonome Patienten. Als Arzt möchte man gut beraten und mit dem Patienten gemeinsame Entscheidungen be­züglich Diagnostik und Therapie treffen.

Interview: Anke Geyer

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