Elektromobilität bei leichten Nutzfahrzeugen mit viel Potenzial

Im PKW-Bereich hat 2020 eine nachhaltige Trendwende zur Elektromobilität begonnen.

Leichte Nutzfahrzeuge mit E-Antrieb stehen noch im Schatten der Elektro-PKW | Foto: automotive thüringen

Anders bei leichten Nutzfahrzeugen – einem Marktsegment, in dem in Europa der Dieselantrieb immer noch zu 90 Prozent den Antriebsmix dominiert. Elektrofahrzeuge fristen hingegen mit einem Marktanteil von 1,2 Prozent lediglich ein Nischendasein. Und dies bei Fahrzeugen, die in hohem Maße Bestandteil urbaner Mobilität sind. Was sind die Ursachen für diesen unbefriedigenden Stand und wo geht die Reise in den nächsten Jahren hin?

Diese Fragestellungen stehen im Fokus einer aktuellen Studie des Chemnitz Automotive Institute (CATI), einem Geschäftsbereich des TUCed An-Instituts für Transfer und Weiterbildung an der Technischen Universität Chemnitz. Die Studie wurde im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk automotive thüringen e.V. durchgeführt.

Leichte Nutzfahrzeuge (zulässiges Gesamtgewicht bis 3,5 t) kommen insbesondere in den Bereichen Lieferdienste, Handel, Dienstleistungen, Baugewerbe, Handwerk sowie bei kommunalen Betrieben zum Einsatz. Dadurch hat die Wirtschaftlichkeit der Nutzung allerhöchste Priorität. Faktoren wie Anschaffungspreis, Betriebskosten, Nutzungsdauer, Nutzraum, Nutzlast, Reichweite unter anderem stellen – in Verbindung mit den infrastrukturellen Rahmenbedingungen – eine hohe Marktbarriere für den Einsatz elektrischer leichter Nutzfahrzeuge dar.

Hinzu kommt, dass die bis 2020/21 äußerst moderaten CO2-Grenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge bislang keine Impulse für eine Trendumkehr zu emissionsarmen Antrieben auslösen konnten. Diese Schonfrist ist nun vorbei. Die jetzt durch die EU für 2025 und 2030 festgelegten Grenzwerte sind mit dem heutigen Antriebsmix nicht mehr zu erreichen.

Die Hersteller reagieren: Automobilhersteller verdoppeln 2020/21 ihr Modellangebot an elektrischen leichten Nutzfahrzeugen. Zudem betreten Newcomer und Start-ups diesen Markt. Letzteres gilt insbesondere für die USA und UK, wo junge Unternehmen in ganz anderen Dimensionen über erforderliche Kapitalausstattungen verfügen, während in Deutschland der Pionier StreetScooter vor dem Aus steht.

Alle Hersteller konzentrieren sich dabei ausschließlich auf batterie-elektrische Antriebe. 2020 haben trotz der Branchenkrise die Neuzulassungen batterieelektrischer leichter Nutzfahrzeuge um 40 Prozent zugelegt, allerdings auf einem äußerst geringen Ausgangsniveau. Im Ergebnis erwartet die CATI-Studie bis 2030 bei elektrischen leichten Nutzfahrzeugen ein jährliches Wachstum von 25 Prozent.

Zur Überwindung der Marktbarrieren für elektrische leichte Nutzfahrzeuge sind – so die CATI-Autoren Prof. Dr. Werner Olle und Dr. Daniel Plorin – drei technologische Trends von hoher Bedeutung, die von Herstellern und Start-ups gegenwärtig vorangetrieben werden:

  • neue Plattform-Strukturen (Skateboard-/Rolling Chassis), die optimalen Nutzraum anbieten und durch Skalierbarkeit hohe Stückzahlen und damit Kostendegressionen zulassen,
  • Modularisierung der Fahrzeugarchitektur und der Aufbauten, die zur Kosten- und Investitionsreduzierung beitragen (zum Beispiel durch einen Anstieg von Gleichteilen sowie der Möglichkeit, die Anzahl Fahrzeuge bei Flottenbetreibern zu verringern),
  • Leichtbau im Fahrzeug und bei den Aufbauten, um Mehrgewichte aus neuen Antrieben zur Sicherung der Nutzlast zu kompensieren.

Aus dieser Entwicklung erwachsen vielfältige Handlungsmöglichkeiten für die Zulieferindustrie. Der Geschäftsführer des automotive thüringen, Rico Chmelik, konstatiert: „Wir sehen gute Chancen für Lieferanten mit Leichtbau-, Interieur- und Elektronik-Kompetenz, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Auch für die Aufbauhersteller, die in der Wertschöpfungskette für leichte Nutzfahrzeuge eine wichtige Rolle spielen, entstehen neue Anforderungen. Und auch neue Anbieter mit entsprechenden Leistungsprofilen haben gute Aussichten. Wir werden uns als automotive thüringen darum kümmern, diese Potenziale für die Region weiter zu konkretisieren.“ (em/tl)

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